Nürnberger Nachtrichten, 4.4.2009 von Claudine Stauber:
NÜRNBERG - Benedicto Kiwanuka war 1961 der erste demokratische Premier Ugandas. Seine Tochter Regina (49) lebt als Flüchtling in Nürnberg. Jetzt soll sie abgeschoben werden.
Flaschen, überall Flaschen. Plastikbehälter mit klarem Leitungswasser stehen auf den Fensterbänken, oben auf dem Blechspind und überall am Boden. Regina Kiwanuka hortet all das Wasser, weil die Dusche im Keller ist und die Türe dort kein Schloss hat, und weil schwelende Konflikte im Haus sie davon abhalten, die Gemeinschaftsküche zu benutzen.
Seit vier Jahren wohnt sie so in dem ehemaligen Bürogebäude in St. Leonhard, das 1994 zum Asylbewerberheim wurde. Acht Jahre ist die Frau mit den kurzen Kraushaaren im Land. Schon nach wenigen Minuten spricht sie vom Vater, dem großen Anwalt und Obersten Richter, den die Schergen Idi Amins 1972 grausam ermordeten.
Kein Schutz
Sein politisches Erbe hat die aus einst wohlhabendem Haus stammende Tochter nach dem Psychologiestudium in den USA zu Hause angetreten. Sie hat sich in der Opposition engagiert, wurde bedroht und gesucht, tauchte unter und musste am Ende fliehen. Kiwanuka ist ein bekannter Name in Uganda. Dass ihr Bruder Ssemakula unter dem jetzigen Regime Minister ist, habe man ihr im deutschen Asylverfahren zum Nachteil ausgelegt. Diese Verwandtschaft werde sie vor Verfolgung schützen, habe es geheißen. «Das stimmt nicht», sagt sie mit ihrer tiefen Stimme. Der Bruder stehe doch auf Seiten der Machthaber.
«Psychologisch gesehen», sagt sie in flüssigem Deutsch, «stecke ich hier seit langem im Gefängnis.» Zum dritten Mal wurde soeben ihr Asylantrag abgelehnt. Zwei volle Jahre hat sie auf diesen Brief gewartet. «Das Bundesamt ist wie Gott», sagt die gläubige Christin, die regelmäßig in St. Kunigund den Gottesdienst der afrikanischen Gemeinde besucht. Kiwanukas Rechtsanwalt Hermann Gimpl: «Sie steht wieder einmal an der Abschussrampe ins Verderben.» Er hat Widerspruch eingelegt, wieder mal.
Zwei Geschwister starben
Dass ihr daheim kein Haar gekrümmt würde, glaubt der Jurist nicht. Dazu habe sich die Frau als Oppositionelle zu sehr aus dem Fenster gelehnt und tue das immer noch. Seine prominente Mandantin sieht’s so: «Hier ist es immer noch besser als in einem ugandischen Knast zu verrecken.» Zwei ihrer neun Geschwister hätten ihr politisches Engagement mit dem Leben bezahlt.
Sicher fühlt sie sich dennoch nicht. Ein Farbeimer steht innen vor ihrer Zimmertüre, obwohl der Schlüssel steckt; sie habe schlechte Erfahrungen gemacht, sagt Regina Kiwanuka vage. Privatheit ist kostbar, wenn man in einer Sammelunterkunft leben muss. Aufgeschnittene blaue Müllsäcke, die sie an die nackten Fensterscheiben geklebt hat, sollen die Sonne und fremde Blicke abhalten.
Kinder leben alle in England
Nur manchmal, wenn die Depression die 49-Jährige nicht niederdrückt und der dauernde Kopfschmerz auszuhalten ist, hält die Menschenrechtsaktivistin Vorträge in der Region oder schreibt politische Artikel über die Situation von Flüchtlingen und die Lage in Uganda. Auf einem wackligen Tisch steht ein alter PC, er hat auf 200 Seiten ihre Lebensgeschichte gespeichert.
Das traurigste Kapitel darin ist ihr Schicksal als Mutter. Drei Kinder hat Regina Kiwanuka, 16, 18 und 20 Jahre alt. Die drei leben bei ihrem Vater in England, es sei nicht möglich gewesen, sie nach Deutschland zu holen. Dreimal hat sie es versucht, dreimal ist sie gescheitert an der Bürokratie, an der Botschaft, einfach an allem.
«Bleiberecht jetzt»
Seit sieben Jahren hat sie die Kinder nicht mehr gesehen. «Die brauchen mich», sagt sie, und schafft es vor Traurigkeit oft nicht einmal, mit ihnen zu sprechen, wenn sie in der Kabine des Telecafés in der Südstadt sitzt, wo viele Flüchtlinge billig telefonieren.
«Bleiberecht jetzt», steht auf einem Plakat an der Wand. «Rena», wie ihre Freunde sie rufen, kämpft schon lange vergebens darum. Sie kennt das Grundgesetz, «dieses Gesetz ist ja für uns gemacht», sagt sie und wundert sich, dass es trotzdem nicht hilft.
Vogelfrei
Am 23. April ist sie im bayerischen Landtag als Expertin geladen, doch dieses Hearing zum Asylbewerberleistungsgesetz wird gleichzeitig ihren letzten legalen Tag in Deutschland markieren. Nur bis zu diesem Termin ist ihre Duldung noch einmal verlängert worden. Danach ist sie vogelfrei, kann jeden Tag in den Flieger nach Uganda gesetzt werden - zurück in die Heimat, die sie liebt und fürchtet.
Regina Kiwanuka sitzt auf ihrem Bett - ihr Rückzugsort und Fluchtpunkt in dem kargen Zimmer - und spricht von ihrer großen Sehnsucht nach einer Perspektive. Acht Jahre im Heim seien genug, «ich will doch nicht krank sein. Ich will etwas tun.» Krank ist sie längst. Sie kommt ohne Psychopharmaka nicht mehr auf die Füße und tröstet sich mit pappigen Süßigkeiten, die sie dick und schwerfällig machen.
Arbeiten durfte sie all die Jahre nicht ein einziges Mal. Mit 40 Euro muss sie den Monat überstehen, das Essen kommt im Paket und ist mies. Eine letzte, eine vage Hoffnung gebe es noch. Die bayerische Härtefallkommission könnte sich mit ihrem Fall befassen. Regina Kiwanuka schaut ins Leere, als zähle sie jede einzelne Wasserflasche im Raum. Sie habe noch Hoffnung, sagt sie.
Claudine Stauber
4.4.2009
Nur mit Psychopillen kommt sie auf die Füße
www.google.de -Regina Kiwanuka: Online protest activities and Campaign
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