*Gesicherter Aufenthalt für Aboubakar Wan* - Appell von Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Wir fordern den gesicherten Aufenthalt für Herrn Aboubakar Wan!!!
Am 5. März hat das Verwaltungsgericht Gera in Thüringen die Abschiebung des schwer an Diabetes erkrankten Bürgerkriegsflüchtlings aus Sierra Leone, Herrn Aboubakar Wan, für rechtmässig erklärt. Die Absichtserklärung der Ausländerbehörde Eisenach und des Landesamts Thüringen an das Gericht, eine Versorgung des kranken, mittellosen und durch den Bürgerkrieg zum Waisen gewordenen Herrn Wan mit Insulin zu gewährleisten, hat dem Vorsitzenden Richter dazu gebracht, den Aufenthaltsantrag Herrn Wans abzulehnen. Sah der Richter eine auf zwei Jahre begrenzte Zusage der Versorgung mit Insulin durch die Ausländerbehörde Eisenach als nicht ausreichend, so reichte ihm dann ein wenige Stunden vor dem Gerichtstermin verfasster Dreizeiler des Landesamts Thüringen, der eine zeitlich unbegrenzte Versorgung mit Insulin wage in Aussicht stellte.
Herr Wan und sein Rechtsanwalt haben beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berufung eingereicht und einen Antrag auf Abschiebeschutz gestellt. Dies ist die letzte Instanz, wo der zwanghafte Abschiebewillen der Ausländerbehörde Eisenach unter der Verantwortung des Sachbearbeiters Reinhardt gestoppt werden kann.
Die gesamte Argumentation ist dabei so absurd und irrational, dass sogar das Satire-Magazin Extra-Dry des norddeutschen Fernsehens den Fall aufgriff. Mehre Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen haben bereits entschieden gegen das Vorgehen der Ausländerbehörde protestiert.
Während Herr Reinhardt akribisch bemüht ist, jede Einzelheit, die ein Problem für die Insulinversorgung Herrn Wans in Sierra Leone darstellt, theoretisch zu entkräften, wird die Gesamtsituation des Landes nach dem langjährigen Bürgerkrieg weitgehend ausgeblendet und die Lebenslage des Herrn Wan auf die Insulinversorgung reduziert. Dies ist höchst fahrlässig. Es bedroht das Leben Herrn Wans und ist mit der Menschenwürde aber auch mit den internationalen Abkommen zum Schutz von Flüchtlingen und mit dem nationalen Recht nicht vereinbar.
Zur Erinnerung:
Der Bürgerkrieg in Sierra Leone wurde mit größter Brutalität insbesondere gegen die Zivilbevölkerung geführt. Das Abschlagen von Gliedmaßen war eine systematisch angewandte Methode. Der Krieg wurde um die Kontrolle des Diamantenabbaus und -handels geführt. Das luxuriöse Vergnügen der Reichen, sich mit den glitzernden Steinen zu behängen, welche über die europäischen Diamantenbörsen verkauft werden, hat in Sierra Leone von 1991 bis 2002 ca. 200.000 Menschen das Leben gekostet.
Herr Aboubakar Wan ist ein Opfer dieses Kriegs. Seine Eltern wurde ermordet und seine Schwester ist verschollen. 16 Jahre jung war er, als er aus dem Krieg entfliehen konnte und 2001 in Deutschland ankam und Asyl suchte. Anstatt einer umfassenden Unterstützung des schwer traumatisierten Jugendlichen wurde sein Asylantrag umgehend abgelehnt und er mußte die weiteren Jahre an Orten der Isolation und Depression, in den Lagern in Weimar, Freienbessingen, Luisenthal/Ohrdruf, Meiningen und Zella-Mehlis verbringen.
Als Herr Wan an Diabetes erkrankte, stellte sein Rechtsanwalt einen neuen Aufenthaltsantrag, da offensichtlich war, dass Herr Wan in Sierra Leone kaum Überlebenschancen hat und dadurch die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, ihm einen sicheren Aufenthalt zu erteilen.
Warum wird das geltende Recht nicht durchgesetzt, warum versucht die Ausländerbehörde Eisenach die Abschiebung mit allerlei Tricks „rechtlich“ möglich zu machen? Es ist auch die Ausländerbehörde Eisenach, die bereits dreimal versucht hat, den ehemaligen Sprecher des Flüchtlingslagers Katzhütte, Herr Mohamed Sbaih, nach Palästina abzuschieben, was jedesmal in letzter Minute auf richterlichen Beschluss untersagt wurde.
Während Herr Aboubakar Wan als letzte rechtliche Möglichkeit Berufung beim Oberverwaltungsgericht und Abschiebeschutz beantragt hat, bemüht sich die Ausländerbehörde Eisenach intensiv, dies zu verhindern. In mindestens zwei Schreiben versucht sie, die Versorgung Herrn Wans mit Insulin in Sierra Leone - mindestens theoretisch - möglich erscheinen zu lassen.
Neben einem nicht näher ausgeführten größeren Depots an Insulin, welches Herr Wan schon am Flughafen bei der Abschiebung bekäme, würde er später über die deutsche Botschaft weiter mit Insulin versorgt. Unbeachtet bleibt, dass es in Sierra Leone keine deutsche Botschaft gibt. Alle Angelegenheiten laufen über die deutsche Botschaft im Nachbarland Guinea. Es ist ungeklärt, wer, wo und in welchem Umfang für Herr Wans Insulinversorgung verantwortlich ist. Es gibt keine Garantien dass eine Versorgung auch tatsächlich und lebenslang gewährleistet und einklagbar ist.
Zu Einwänden, dass Insulin gekühlt gelagert werden muss, was eine Schwierigkeit bei nicht vorhandener Stromversorgung darstellt, verweist der Sachbearbeiter Reinhardt auf eine Diabetikerkühltasche mit Wasserkühlung mit dem bedeutsamen Namen Expedition. Diese ist genau dafür gedacht, nämlich ein, zwei Tagesrationen auf zu bewahren. Herr Reinhardt gibt den Preis 35,- und die Kühldauer (48h) Stunden mit an. Den erneuten Einwand bezüglich der Größe beantwortet er mit der Möglichkeit, mehrere Taschen zu haben. Darüber hinaus schreibt er, dass Insulin bei bis zu 40° Grad Celsius einen Monat ohne Wirkungsverlust gelagert werden könne und fügt ein Jahresdiagramm der monatlichen durchschnittlichen Tages- und Nachttemperaturen von der Hauptstadt Freetown bei. Er unterschlägt, dass unabhängig von der möglichen, zeitlich begrenzten Temperaturbeständigkeit immer und von allen Stellen darauf verwiesen wird, Insulin gekühlt zu lagern. Temperaturschwankungen sollen vermieden werden. Reisenden in wärmere Länder wird immer eine Kühlbox empfohlen. Auf der Internetseite von Diabetes World wird die Haltbarkeit von Insulin auf drei bis vier Wochen bei Zimmertemperatur genannt. Dort steht ebenfalls, dass Insulin für höchstens einen Tag eine Wärmebelastung von ca. + 40 Grad Celsius verträgt, danach verliere es ständig an Wirkung.
Ein anderer wichtiger Punkt, der sich auf das Geschäft mit den teuren und knappen Arzneimitteln sowie die Verbreitung von gefälschten Medikamenten bezieht, wird vom Sachbearbeiter Reinhardt als neben der Sache liegend bezeichnet. Fakt ist jedoch, dass der Zustand des staatlichen Gesundheitswesen 7 Jahre nach dem Krieg immer noch katastrophal ist. Dass führt zu einem illegalen Markt mit echter Medizin und mit als echten Medikamenten etikettierten Stoffen sowie mit Rezepten. Erst Anfang diesen Jahres strahlte BBC eine Reportage über diesen gefährlichen Handel aus.
Statt die Gesamtsituation in Sierra Leone und die Bedingungen denen Herr Wan unterworfen sein würde, wahrzunehmen, klammert sich die Behörde daran fest, wenn eine Zusage zur Kostenübernahme für Insulin gegeben ist, gibt es keine Einwände für die Abschiebung.
Der Richter im Verwaltungsgerichtsverfahren hatte noch vor dem Verfahren unserer Organisation gegenüber gesagt, dass die Lebenssituation Herrn Wans eine Abschiebung nicht zulasse. Um so überraschender war, dass die kurz vor dem Verfahren eingebrachte Erklärung des Thüringer Landesamt in Weimar zuständig für die Durchführung von Abschiebungen, die Insulinversorgung zeitlich unbegrenzt zu übernehmen, dann als Argument zur negativen Entscheidung angeführt wurde.
Herrn Wans Fall wird auf den möglichen Erhalt von Insulin in einem ökonomisch extrem schwachen und vom Krieg zerstörten Land reduziert. Seine Situation in Sierra Leone ohne Familie, sieben Jahre in deutschen Asyllagern ohne Ausbildung, kriegstraumatisiert und zuckerkrank bedeutet nicht überleben zu können. Es ist anzunehmen, dass auch die Ausländerbehörde und das Landesamt sich dessen bewusst sind. Es ist aus Sicht eines Menschen völlig widersinnig jemanden in eine elende Lage zu bringen, wo er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, ihn aber dafür mit Medizin versorgen zu wollen, während er hier in Deutschland eine Ausbildung machen, arbeiten, seine Freundin heiraten und seinen Lebensunterhalt selbstständig bestreiten könnte.
Wir bitten Sie aufgrund des Ernstes der Lage sich an das Oberverwaltungsgericht zu wenden und sich für Herrn Wan und für einen vorläufigen Abschiebeschutz einzusetzen.
Herr Wan hat Anspruch auf einen gesicherten Aufenthalt. Mit dem Trick der Behörde eine medizinische Versorgung in Sierra Leone zuzusagen, wird das geltende Recht gebrochen. Unsere Würde gebietet uns die Intervention.
Anhang:
I.Auszug einer Lagebeschreibung in Sierra Leone einer Reiseinformation-Agentur ( professional travel guide)
II.Brief des Vereins „Sierra Leone e.V. - Hamburg“
III.Musterbrief an das Oberverwaltungsgericht
I.
professional travel guide on Sierra Leone:
... Civil unrest is a concern, especially in the capital, Freetown, where violence can erupt whenever large crowds gather. Some unrest was reported before local elections in July 2008 and again in March 2009. In the latter confrontation, there were reports that several women were raped as the violence escalated. ...
The human-rights situation has improved considerably in Sierra Leone. That said, many detention centers are crowded and unsanitary. Police reportedly continue to detain civilians arbitrarily.
Although many children who fought as child soldiers continue to be released and participate in reintegration programs, the abuse of children remains a problem.
Violence, discrimination against women and prostitution remain widespread. The practice of female genital mutilation, which is not against the country's law, is extensive among all levels of society and most ethnic groups....
According to a government report, two-thirds of users of public services--such as banks, telephone services and hospitals--said they had been required to pay bribes. According to the same report, more than 40% of public officials admitted engaging in some level of mismanagement, mostly misappropriation of public funds.
II.
Sierra Leone e.V. Hamburg
Foday Turay
Fabricius Strasse 61
22177 Hamburg
an:
Thüringer Oberverwaltungsgericht
Kaufstrasse 2-4; 99423 Weimar
Herr Aboubakar Wan muss ein gesicherte Bleiberecht erhalten.
Eine Abschiebung bringt sein Leben in große Gefahr.
Am 5. März 2009 hat das Verwaltungsgericht Gera in Thüringen beschlossen, die Abschiebung Herrn Aboubakar Wan, der an Diabetes erkrankt ist, nach Sierra Leone „mit medizinischer Versorgung“ für rechtmäßig zu erklären.
Diese Entscheidung ist sehr weit von der Realität entfernt.
Ich komme aus Sierra Leone und bin seit zehn Jahren im Vorsitz des Vereins Sierra Leone e.V. in Hamburg aktiv.
Ich war sehr verärgert als ich von der Entscheidung des Gerichts und den Ausführungen der Ausländerbehörde Eisenach erfuhr. Von einem Rechtsstaats hätte ich dies nicht erwartet.
Es wird von einer deutschen Botschaft in Sierra Leone gesprochen, die im Grunde nur für Geschäftsinteressen existiert. Alle allgemeinen Angelegenheiten und Visaformalitäten werden über die deutsche Botschaft in Guinea abgewickelt.
Nach dem Bürgerkrieg waren die meisten Krankenhäuser zerstört und eine medizinische ist Versorgungstruktur kaum vorhanden. Heute, sieben Jahre später, sind viele Krankenhäusern nicht wieder aufgebaut worden. Die medizinische Versorgung ist katastrophal und nur wer Geld hat kann sich versorgen lassen. Selbst Spritzen muss der Patient selbst kaufen. Menschen infizieren sich, weil Spritzen wieder verwendet werden.
Unser Vereine aus Hamburg und aus Göttingen hatten einen Krankenwagen, Anti-Malaria Mittel, Medizin gegen Tuberkulose, Insulin und weitere Arzneimittel nach Sierra Leone verschifft. Zu der Zeit als Vorsitzender des Vereins habe ich die Verschiffung organisiert. Ich war schockiert als ich erfuhr, dass die Krankenhäuser, die das Material erhalten sollten nichts bekommen hatten. Als ich versuchte, etwas über den Verbleib herauszufinden, wurde ich von staatlicher Stelle ermahnt, die ganze Sache nicht weiter zu verfolgen.
Es gibt eine Reihe von Beiträge eines couragierten Journalisten über die Verbreitung von Korruption und Bestechung. So gab die UNO an das Gesundheitsministerium Mückennetze zum Schutz vor Malaria für alle Bürger. Diese wurden nicht verteilt, sondern fanden sich später auf den Märkten verkauft.
Die Lebensbedingungen sind sehr sehr schwer für die einfachen Menschen in Sierra Leone. Wer ohne Familie und mittellos und krank ist, hat keine Chance.
Ich appelliere an das Oberverwaltungsgericht, die getroffene Entscheidung zu überprüfen.
Es gibt viele NGOs in Sierra Leone, die versuchen dort zu arbeiten, aber die Bedingungen hindern sie. Wenn die Behörde tatsächlich versucht Herrn Wan mit Insulin zu versorgen, fragt sich, wie kompetent diese Methode ist.
Eine individuelle Versorgung vom Ausland aus kann unter den vorherrschenden Bedingungen nicht funktionieren.
Ich und weitere Mitglieder unserer Vereinigung stehen als Zeugen für das Berufungsverfahren zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen Hamburg, 22.05.2009
Foday Turay
Sprecher des Vereins Sierra Leone e.V. - Hamburg
III. Protestfax an das Thüringer Oberverwaltungsgericht
Absender:
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an:
Thüringer Oberverwaltungsgericht
Kaufstrasse 2-4
99423 Weimar
Telefon: 0 36 43 - 20 60; Fax: 0 36 43 - 20 61 00
Betreff: Aufenthaltsrecht Herr Aboubakar Wan / 3 EO 245/09
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren
mit großer Besorgnis verfolge ich den Fall des Herrn Aboubakar Wan. Ich bin der entschiedenen Auffassung, dass ein junger Mensch der eines grausamen Krieges entflohen ist und seine Familie verloren hat, ein Recht auf eine neue Zukunft in seinem Exilland hat.
Es macht mich betroffen, zu erfahren, dass dieser junge Mensch dieses Recht nicht erhielt.
Leider ist es jetzt seine Krankheit, die ihm das Recht auf eine neue Zukunft hier in Deutschland gibt. Es erschreckt mich, mit welcher Intensität die Ausländerbehörde dennoch weiterhin die Abschiebung Herrn Wans durchführen will. Die ziemlich aussichtslose Lebenssituation in die Herr Wan durch die Abschiebung gebracht wird, will die Behörde mit der wenig konkreten Zusage der lebenslangen Insulinvergabe kaschieren.
Herr Wan könnte in Deutschland eine Ausbildung machen und seinen Lebensunterhalt selbstständig bestreiten. Stattdessen soll er weiter in staatlicher Abhängigkeit bleiben - allerdings unter dem Vorzeichen, dass, selbst wenn das Insulin tatsächlich zur Verfügung stände, durch Mangel an allem anderem wahrscheinlich nicht lange dauern wird, bis die Verbindung als „abgebrochen“ erklärt wird.
Ohne Familie, krank und ohne soziales Netz hat Herr Wan keine Chance in Sierra Leone zu überleben. Dafür sieht das internationale Recht und auch das nationale Recht Schutz vor.
Auch aus Besorgnis über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gera, das nach der schnellen Zusage des Landesamts, die Insulinversorgung länger als zwei Jahre sicher zustellen, die Aufenthaltserteilung ablehnte, wende ich mich an Sie.
Aufgrund des Ernstes der Lage teile ich Ihnen mit, dass ich mich für ein gesichertes Bleiberecht und für einen sofortigen Abschiebeschutz für Herrn Aboubakar Wan einsetze.
Mit freundlichen Grüßen
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Unterschrift Datum