Prozessbericht Hamza Barakat ./. Bundesrepublik Deutschland wegen Asylanerkennung vom 03.12.2009 vor dem Amtsgericht Meiningen
Sitzungssaal A0203 – Beginn 9:30 Uhr
Einzelrichter Gieth
Richter Gieth eröffnete die Sitzung und stellte fest, dass von Seiten der Beklagten (BAMF) niemand anwesend war, obwohl fristgemäß am 03.11.2009 geladen wurde.
Der Kläger, Herr Barakat, wurde von Steffen Dittes vertreten. Ein Dolmetscher war zur Übersetzung anwesend.
Herr Barakat klagte gegen die Entscheidung des BAMF, ihm Asyl zu verwehren und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention. Hilfsweise beantragte er den Schutz vor Abschiebung.
Zunächst fragte der Richter, ob die Verständigung gut sei und gab Herrn Barakat die Gelegenheit, zusätzlich zu den in der Klageschrift enthaltenen Darlegungen noch weitere Ergänzungen vorzunehmen.
Herr Barakat wies darauf hin, dass sich die Lage in seiner Heimat, in Palästina im Gaza-Streifen seit der Zeit seiner Asylantragstellung weiterhin verschlimmert habe. Die seit 7 Jahren bestehenden Sanktionen und das Weitergehen des Krieges haben gezeigt, dass keine politische Lösung in Sicht sei. Weiterhin machen die gewaltsamen innenpolitischen Konflikte unter den palästinensischen Parteien diese Lage noch schlechter und aus Gaza einen überaus gefährlichen Ort. Dies alles sei aus Quellen internationaler Organisationen bekannt.
Sein Beistand, Herr Dittes, wies auf weitere aktuelle Veröffentlichungen hin, so auf einen Artikel, in dem dargestellt wird, dass seit Januar 2009 270 Raketen aus dem Gaza auf Israel abgeschossen wurden und Israel zuletzt im November einen Vergeltungsschlag startete, der auch zivile Opfer forderte. Die Verhandlung wurde kurzzeitig unterbrochen, um Kopien dieser Dokumente anzufertigen.
Danach führte Herr Dittes aus, dass Herr Barakat für ein Volkskomitee tätig war, welches der FATAH nahestand. Dies habe erhebliche Relevanz für die Frage der Anerkennung als politischer Flüchtling. Allein die Zuordnung dieses Volkskomitees zur FATAH rechtfertigt eine Anerkennung als Flüchtling, denn es ist bekannt, dass die regierende HAMAS der FATAH nahestehende Personen verfolgt und willkürlicher Gewalt aussetzt.
Weiterhin bezog sich Dittes auf den offiziellen Bericht des Auswärtigen Amtes vom 19.11.2009, der monatlich mit Reisehinweisen aktualisiert wird. Darin wird vor einer Reise in die Nähe des Gaza „gewarnt“ und vor einer Reise in den Gaza „dringend gewarnt“. U.a. wird auf eine Auseinandersetzung zwischen der HAMAS und anderen palästinensichen Gruppen verwiesen, der im August 2009 28 Menschen zum Opfer fielen.
Dittes wies darauf hin, dass die Begründung des Gerichtes in der Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe abzuweisen, dass sich seit 2005 nichts geändert habe, schlicht falsch sei. Sowohl die Sachlage in Palästina als auch die deutsche Rechtslage haben sich in diesem Zeitraum geändert. Die bisherige Argumentationslinie, dass eine Anerkennung gemäß § 60.7 AufenthG (Verbot der Abschiebung) verweigert werden könne, wenn die Verfolgung allgemeiner Natur sei, also die gesamte Zivilbevölkerung betreffe, sei überholt, die Rechtsprechung habe sich inzwischen geändert. In den Fällen, in denen sich die allgemeine Verfolgung so verdichtet, dass sie zu einer konkreten individuellen Gefahr werde, müsse dies zum Schutz des Flüchtlings führen. Dies sei im Gaza-Streifen gegeben, da es keine Möglichkeit gibt, diesen zu verlassen. Damit werden beide Konflikte, der Konflikt zwischen HAMAS und FATAH im Inneren und der Konflikt mit Israel von außen zu einer konkreten Gefahr. Wenn diese Gefahr bereits so groß ist, dass das Auswärtige Amt dringend davon abrät, auch nur in die Nähe des Gaza-Streifens zu reisen, um wie vieles größer müsse dann die Gefährdung für diejenigen sein, die ständig dort leben müssen. Die HAMAS wird von allen EU-Ländern übereinstimmend als terroristische Vereinigung eingestuft, welche ohne Rücksicht auf Unschuldige bzw. Unbeteiligte mit brutaler Gewalt vorgeht. Wenn eine solche Organisation die Regierungsgewalt ausübt, wie könne dann eine Verfolgung bestritten werden? Zum anderen zeige auch der Beschuss Israels mit Raketen und die auch die Zivilbevölkerung bedrohenden Vergeltungsangriffe durch Israel, dass auch von dieser Seite eine Form der Gewalt ausgeübt wird, die nicht mehr zwischen Terroristen und unschuldigen Opfern differenziere. Demzufolge müsse der § 60.7 AufenthG Schutzwirkung entfalten. Dies ergibt sich auch aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover, auf welches sich Dittes bezog.
Der Richter beendete die Sitzung mit der Ankündigung, dass eine Entscheidung dieses Falles in 2 bis 3 Wochen schriftlich zugehe, welche entweder ein Urteil beinhalte oder einen Beschluss zur Würdigung weiterer Beweise, was dann auf eine Fortsetzung des Prozesses hinausliefe.
END
Von Lager zu Lager
Palästinensischer Flüchtling nach Schließung von Barackendorf im thüringischen Katzhütte in die nächste Sammelunterkunft gesteckt
Von Gitta Düperthal(jw press)
http://www.jungewelt.de/2010/06-12/034.php
Politik: Asylbewerberheim in Katzhütte geschlossen (Thür. Presse)>> https://thevoiceforum.org/node/1645
Hamza Barakat: Palästinenser und deren Ungleichbehandlung vor dem Gesetz
https://thevoiceforum.org/node/1510