Vereint gegen koloniales Unrecht!
Diskussionsbeitrag von Andreas Rosen, Stiftung Nord-Süd-Brücken
Karawane-Festival 2010, Jena, 4. Juni 2010
1. Obwohl die Dimension der Vernichtung, Zerstörung und nachhaltigen Ausbeutung durch den europäischen Kolonialismus bekannt und dokumentiert ist, verhalten sich europäische Regierungen und Gesellschaften so, als sei der Kolonialismus ein Kavaliersdelikt gewesen. Es gibt keine adäquate Erinnerungskultur, keine entsprechende Aufarbeitung in den Schulbüchern und keine Reparationen für Völkermord, Versklavung und Plünderung der Ressourcen.
Deswegen ist es z.B. richtig, dass afrikanische Intellektuelle den Rassismus deutscher Dichter und Denker aufarbeiten.
Deswegen ist es gut, wenn koloniale Denkmäler in deutschen Städten gestürzt oder Straßennamen von Kolonialverbrechern umbenannt werden.
Deswegen wäre es gut, wenn es auch in diesem Land eine postkoloniale, kritische Geschichtsschreibung geben würde, die sich z.B. auch in Geschichtsbüchern und Museen niederschlagen würde.
Deswegen ist es z.B. weiterhin richtig, die Vernichtung von Herero und Nama in Nambia durch deutsche Schutztruppen einen Völkermord zu nennen oder deutsche Firmen wegen ihrer Unterstützung der Apartheid international zu verklagen.
Europe deals with it’s own colonial history if that was just a little boys naughty trick. Europe and Germany do not take responsibility – legally, financially and educational – for that enormous crimes againgst humanity. Therefore we still need to “remind” society and governments about colonialism – where ever it appears or is neccessary.
2. Natürlich prägt der Kolonialismus auch heute Gesellschaften. Er schreibt Ungleichheit und Ungerechtigkeit zwischen Kolonialisierten und Kolonialherren seit Jahrhunderten fort. Das zeigt sich an rassistischen Klassengesellschaften in Mexiko und Brasilien ebenso wie in Südafrika. Hinweise finden sich z.B. in der Stadtplanung, in Bildung und auf dem Arbeitsmarkt.
Deswegen sollte auch konsequent widersprochen werden, wenn selbstgefällig darauf hingewiesen wird, dass man doch endlich mal aufhören sollte, den Kolonialismus für begrenzte Entwicklungschancen und Defizite eines Landes verantwortlich zu machen.
Deswegen hat Frantz Fanon heute immer noch recht, wenn er schreibt: “Europa hat sich an dem Gold und den Rohstoffen der Kolonialländer unmäßig bereichert. Dieses Europa ist buchstäblich das Werk der Dritten Welt.“
Colonialism is still very much alive. It is today the base for divisions and injustices – see countries like Mexiko, Brasil or South Africa. Frantz Fanon was right saying “Europe build itself on the expenses of the so-called Third World”.
3. Der Rassismus ist der „ideologische“ Verwandte des Kolonialismus. Einst zur Absicherung der Privilegien und Erklärung der Ausbeutung begründet, hat er sich bis heute gehalten und Gesellschaft und Politik durchsetzt. Man kann das erkennen an der Prozentzahl von Lehrern mit Migrationshintergrund, an den Rollen von Schwarzen in deutschen Fernsehfilmen, an der Gleichgültigkeit gegen über den Hunderten von toten Flüchtlingen im Mittelmeer. An der Frequenz, mit der Schwarze und Migrant/innen von der Polizei ohne Vorwarnung kontrolliert werden, an den Zuständen in Katzhütte...
Deswegen ist es m.E. richtig, mit zugespitzten Mitteln diesen Rassismus anzuprangern und ihn der Mehrheitsgesellschaft um die Ohren zu hauen.
Racism is ideologically related to colonialism. While it was once constructed to legitimate power and privileges, it poisoned whole society. Today you have many indicators like discrimination on the job market, ignorance about hundereds of refugees dying in mediteranian sea or police racism.
4. Dieser Rassismus durchzieht alle gesellschaftlichen Bereiche. Er findet sich auch in meinem Arbeitsbereich, der Entwicklungszusammenarbeit. Hier ist die Heuchelei besonders groß, da viel die Rede ist von Partnerschaft, Menschenrechten und Solidarität, dies aber abstrakt und fern bleibt. Man erinnert an die Menschenrechte in Darfur oder Tibet, nicht aber an die der Flüchtlinge hierzulande, die in Abschiebeknästen oder schimmeligen Sammelunterkünften sitzen. Die Entwicklungszusammenarbeit fordert „freedom of movement“ (z.B. auch bei den UN-Millenniumsentwicklungszielen), verschickt weltweit Experten, Entwicklungshelfer und junge Freiwillige, aber ist gleichgültig darüber, dass Europa sich militärisch gegen die „Bewegungsfreiheit“ absichert und dabei den Tod Tausender Menschen nicht nur billigend sondern vorsätzlich in Kauf nimmt.
Während wir uns weltweit überall jederzeit bewegen können, beschränken wir die wenigen Flüchtlinge hierzulande auf einen tristen Landkreis. Migrant/innen, Flüchtlinge und Schwarze sind nur Zielgruppe bzw. Objekt in der Entwicklungszusammenarbeit, nicht aber Handelnde.
Deswegen ist es richtig, wenn mehr Migrant/innen in die Entwicklungszusammenarbeit gehen, den „weißen/europäischen“ Konsens hinterfragen und neue Perspektiven in die Entwicklungszusammenarbeit einführen.
Development co-operation is not free of racism but rather reproduces racist structures. It is common sense that so called experts can go everyway and move around freely, while Europe protect itself military againgst people from the South. 18 year-old German volunteers welcome themselves all over in the world, while children from the South, who lost their parents or flee from repression are locked up in a owercrowed prison in Greece or Morocco.
5. Die Parole „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ sollte offensiv in die Gesellschaft reingetragen werden. In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es Tausend gute Beispiele dafür, dass diese Aussage richtig ist. Wir sollten versuchen, diese Parole zu verbreitern, die Entwicklungszusammenarbeit sollte hier endlich aufwachen und eine emanzipatorische Rolle spielen...
The slogan „We are here because you destroyed our countries“ is right and we should try to broaden that in society. Development co-operation could at least back up that argument with concrete examples.
end
dt/eng) Karawane-Festival: Diskussionen zu Koloniales Unrecht und Rassismus mit Andreas Rosen von Stiftung Nord-Süd-Brücken
https://thevoiceforum.org/node/1644