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Es ist ein Fall, wie es viele gibt. Ein Ehepaar aus Aserbaidschan flüchtet nach Deutschland, landet in Thüringen, versucht zu bleiben und kämpft um Anerkennung: eine "normale" Flüchtlingsgeschichte. Auch Laman Tahmazov und ihr Mann Ulvi mussten um ihr Aufenthaltsrecht kämpfen.
Jörg Hafkemeyer für tagesschau.de
Asylbewerber in Deutschland warten oft auf Anerkennung ihrer politischen Verfolgung (Foto: picture-alliance/ ZB) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Asylbewerber in Deutschland warten oft auf Anerkennung ihrer politischen Verfolgung ]
Sie steht barfuß auf dem Holzfußboden in der Mitte der weitläufigen, kahlen, baufälligen Turnhalle und lächelt. Mit leiser Stimme gibt die junge Frau sehr konzentriert Kommandos. Drei Männer und drei Frauen hören ihr zu, setzen sich, machen Beuge- und Dehnübungen. Laman Tahmazov ist 26 Jahre alt. Sie trägt eine weite, weiße Hose, eine weiße Jacke. Ein roter Gürtel hält das alles zusammen. Die nur knapp 50 kg leichte Frau ist Muslimin - und Asylbewerberin. Auch beim Sport trägt sie ein Kopftuch. In ihrer Gewichtsklasse ist sie eine der besten Taekwondo-Kämpferinnen Thüringens. Ob Thüringen sie allerdings haben will, das weiß sie noch nicht. Das Asylverfahren läuft. Die Gymnastik ist zu Ende. Laman Tahmazov macht - genauso wie ihr Mann Ulvi - seit vielen Jahren Taekwando. Das Kämpfen gefalle ihr dabei besonders, sagt sie.
Kämpfen muss sie auch, nicht nur beim Training, sondern auch im täglichen Leben. Sonneberg liegt im tiefsten Süden Thüringens. Der Ausländeranteil liegt unter zwei Prozent, und die Menschen sind verschlossen. Es ist ein Schock, als sie hier in das Heim für Asylbewerber eingewiesen werden. Während die anderen weiter Ball spielen, bleibt Laman stehen und erzählt, wie sie mit ihrem vier Jahre jüngerer Mann Ulvi aus Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, fliehen musste. "Grund waren politische Probleme meines Mannes. Er war in einer Partei und hatte viele Probleme mit der Polizei", erinnert sie sich. Das sei lebensgefährlich gewesen und hätte ein normales Leben unmöglich gemacht.
Gefängnis kein Vergleich zu Deutschland
Während sie das erzählt, läuft Ulvi vorbei. Auch er ist ein exzellenter Taekwando-Sportler. Trotzdem wirkt er scheu, unsicher und spricht nur wenig Deutsch. Er erzählt davon, wie er während seines Sportstudiums in Baku in die größte Oppositionspartei eintrat, sich politisch engagierte, das System des Präsidenten Ilham Alijev kritisierte, verhaftet wurde. Zwei Jahre saß er im Gefängnis, wurde geschlagen und verletzt. So richtig reden will er darüber nicht, nicht einmal mit Laman. "Über seine Zeit im Gefängnis hat er mir nicht viel erzählt. Ich weiß nur, dass es sehr schwer für ihn war", sagt sie. Das sei kein Vergleich zu Deutschland, wo die Polizei nicht mit den Leuten machen könne, was sie wolle. Die Polizei in Aserbeidschan sei wie Gott. "Wir sagen Allah. Sie darf alles."
Nach dem Training machen sich Lahman und Ulvi auf den Weg in das baufällige, zum Teil vom Einsturz bedrohte Heim gleich neben der renovierten Handelskammer in der Coburger Straße. Vor kurzem ist ihnen hier buchstäblich die Decke auf den Kopf gefallen, und sie mussten ins Erdgeschoss ziehen. Während die beiden unterwegs sind, schauen sie in der Kreisdiakoniestelle vorbei. Hier arbeitet Melanie Köhler. Sie ist so etwas wie der Sonneberger Schutzengel für die beiden.
Ständige Angst vor der Abschiebung
Vor allem Unsicherheit bestimmt das Leben vieler Einwanderer Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Vor allem Unsicherheit prägt das Leben vieler Einwanderer ]
Seit zwei Jahren leben sie in ständiger Angst vor der Abschiebung, kein einziger Tag vergeht unbeschwert, so wie bei anderen jungen Leuten. Die Angst sitzt fest im Kopf, in den Gedanken. Melanie Köhler hilft deshalb, wo immer es geht. "Sie sind relativ gut integriert. Ich weiß noch ganz genau, dass sie sich am Anfang sehr auf der Pelle gehangen haben, in ihrem kleinen Zimmerchen", erinnert sie sich. Sie hätten damals nicht gewusst, was sie machen sollten. Sie waren mit Fragen konfrontiert wie: Können wir hier bleiben? Was passiert mit uns? Was haben wir hier für Möglichkeiten? Was dürfen wir? Was dürfen wir nicht?
Auch mit der Ausländerbehörde gab es große Schwierigkeiten, und sie hatten wirklich Probleme, einen Ansprechpartner zu finden und kompetente Hilfe. Weniger als ein Prozent aller Asylanträge werden positiv beschieden. Für Laman und Ulvi ist es jetzt soweit, nach mehr als zwei Jahren endlich entscheidet das Gericht.
Die beiden blicken Melanie Köhler hoffnungsvoll in die Augen. Ob sie nicht doch noch etwas für sie tun kann? Die Sozialarbeiterin hat schon manches Unmögliche möglich gemacht. Dank ihres Einsatzes dürfen Laman und Ulvi - im Gegensatz zu anderen Asylbewerbern – in Deutschland arbeiten. Sie haben eine Ausnahmegenehmigung bekommen. Seither jobbt der Sportwissenschaftler Ulvi in einem Döner-Imbiss nahe des Hauptbahnhofs. Laman, sie ist eigentlich Lehrerin, arbeitet als Haushaltshilfe. Wenn alles gut geht vor Gericht, dann möchte sie nach Erfurt ziehen, noch einmal studieren, sich weiterbilden. So viele Pläne, so viel Hoffnung, und es ist Melanie Köhler, die die Erwartungen dämpfen muss.
Beweis für politische Verfolgung
"Es läuft ein Verfahren. Das läuft und dauert sehr lange. Sie werden da vor allem von Refugio unterstützt in Jena. Die sind juristisch sehr gut bewandert", erklärt sie. Ihr Verfahren ist schwierig, denn sie hatten ein Ablehnungsschreiben bekommen, in dem ganz deutlich stand, dass die Justiz nicht an Ulvis politische Verfolgung in Aserbeidschan glaubt. Köhler ist sicher, er müsse jetzt das Gegenteil beweisen.
Aber wie sollen die beiden im Asylbewerberheim im thüringischen Sonneberg Beweise sammeln? Nachweisen, was geschehen ist damals vor all den Jahren im Gefängnis in Aserbaidschan?
Trotz all der Ungewissheiten, im Gerichtssaal in Meiningen passierte ein Wunder: Der Richter glaubte den beiden. Wenn das Bundesamt innerhalb von zwei Wochen nicht in die Berufung geht, haben Laman und Ulvi es geschafft. Und Thüringen ist um zwei leidenschaftliche Sportler reicher.
http://www.tagesschau.de/inland/asyl106.html
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Illegale Migranten in Libyen
Endstation Tripolis - kein Weg nach Europa
Je weniger illegale Migranten nach Italien oder Malta übersetzen, desto mehr bleiben in Libyen. Doch dort gibt es keine Arbeit und die Lage für die vielen Menschen ist katastrophal. Einige wollen deshalb in ihre Heimat zurückkehren - unterstützt von der Internationalen Organisation für Migration IOM, die dafür aber viel zu wenig Geld hat.
Von Esther Saoub, ARD-Hörfunkstudio Kairo
Maurizio Santicola führt durch ein Zentrum für illegale Migranten in Tripolis. Das Haus in einem Vorort wurde aufgebaut von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Hier werden Migranten beraten, die sich entschieden haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Heute wartet eine Gruppe Äthiopier auf die Befragung durch freiwillige Helfer. Jeder von ihnen hat eine berührende Geschichte zu erzählen.
"Sie ist ertrunken"
Reinigungskräfte auf dem Flughafen in Tripolis Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Reinigungskräfte auf dem Flughafen in Tripolis: Libyen ist auf Arbeitsmigranten angewiesen. (Foto: Esther Saoub) ]
Nureddin Gamal etwa ist seit sechs Jahren in Libyen. Seine Reise durch die Wüste bis hierher dauerte fast einen Monat. In Libyen arbeitete er als Fahrer und in der Landwirtschaft, zeitweise 20 Stunden am Tag. Nicht immer bekam er Gehalt - wer keine Papiere hat, der wehrt sich nicht. Mehrmals wurde er festgenommen, einmal saß er sechs Monate im Gefängnis, ohne Gerichtsurteil. Nureddins Frau, eine Äthiopierin, die er in Tripolis geheiratet hatte, versuchte weiterzukommen, übers Mittelmeer nach Europa. "Ich hatte kein Geld für die Überfahrt, aber meine Frau wollte es versuchen", erzählt Nureddin. "Also habe ich für sie gesammelt. Von Italien aus wollte sie mir dann Geld schicken, damit ich nachkommen kann. Frauen finden ja leichter einen Job. Ich habe gewartet. Aber sie ist im Meer ertrunken."
Mit 120 Leuten in einer Zelle
Auch der 25-jährige Musfin versuchte die Fahrt übers Meer, kam aber nicht weit. Kurz nach dem Ablegen wurde er festgenommen und landete im Gefängnis. Sechs Monate blieb er in Haft, ohne Urteil. Es ist ihm anzusehen, dass er gelitten hat. Er ist dünn, sieht älter aus, als er ist. "Wir waren 120 Leute in einer Zelle", erzählt er. "Niemand konnte sich hinlegen oder schlafen. Das Essen war schlecht, mein Körper ist immer noch ganz ausgelaugt. Die Polizisten haben mich geschlagen bei der Festnahme und auch im Gefängnis. Was willst du machen - Gott ist gnädig."
Amnesty beklagt Misshandlungen von Migranten
Migranten in Tripolis Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Gestrandet in Tripolis: "Wer ohne Papiere erwischt wird, den nehmen sie mit." (Foto: Esther Saoub) ]
Ein kürzlich erschienener Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf libyschen Sicherheitskräften vor, Migranten willkürlich gefangen zu halten und zu misshandeln. Im vergangenen Jahr waren von mehr als 500 Todeskandidaten in libyschen Gefängnissen die Hälfte Einwanderer. Libyen hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterschrieben. Im Juni schloss die Regierung zudem das Büro der Flüchtlingsorganisation UNHCR.
Die einzig verbliebene Anlaufstelle für Einwanderer und Asylsuchende ist damit die IOM. Deren Büroleiter in Tripolis, Laurence Hart, tut sich schwer damit, Zahlen zu nennen: "Die einzige offizielle Zahl, die wir haben, besagt, dass die Ankünfte in Europa in den vergangenen zwölf Monaten um 90 bis 95 Prozent zurückgegangen sind. Das liegt an den gemeinsamen Patrouillen und Abkommen zwischen Libyen und Italien. Die Ankünfte in Libyen dagegen sind nach wie vor zahlreich: Afrikanische Botschafter hier haben dies bestätigt, obwohl es sich herumgesprochen hat, dass Libyen ein schwieriger Ausgangspunkt nach Europa geworden ist. Manche Beobachter bezeichnen Libyen als Sackgasse."
Die Zahl der illegalen Einwanderer insgesamt schätzt Laurence Hart auf anderthalb Millionen. Immer wieder werden größere Gruppen in ihre Heimatländer abgeschoben. IOM versucht Rückkehrwillige zu unterstützen, doch seit Beginn dieses Programms vor einigen Jahren konnte gerade einmal 5000 Menschen geholfen werden. Für mehr reichen die Mittel nicht.
Markt in der Altstadt von Tripolis Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Markt in der Altstadt von Tripolis: Viele Migranten arbeiten als illegale Händler. (Foto: Esther Saoub) ]
"Also gehen wir nach Hause"
Die 35-jährige Dibiana hofft auf eine solche Rückkehrhilfe. Deshalb sitzt sie im Wartesaal des IOM-Rückkehrzentrums in Tripolis. Drei Jahre war sie in Libyen, auch sie wurde bei dem Versuch verhaftet, übers Meer nach Europa zu fahren. Nun sitzt sie auf einem Plastikstuhl, über dem Kopf ein buntes Tuch, auf dem Schoß ihre ungefähr zweijährige Tochter. Sie sieht müde aus. "Es gibt keine Arbeit hier, kein Essen, ich kann keine Milch kaufen für meine Tochter", klagt sie. "Wir sind erschöpft. Dies ist nicht mein Land. Wir sind hergekommen, um nach Europa zu fahren. Die Schlepper haben unser Geld genommen. Der Weg nach Europa ist versperrt. Also gehen wir nach Hause."
* InternItaliens Asylpolitik in der Kritik (20.06.2010).
* Intern25 Jahre Schengen: Für Flüchtlinge kein Grund zum Feiern (13.06.2010).
* AudioEndstation Tripolis - illegale Migranten in Libyen [E. Saoub, ARD Kairo].
* WeltatlasWeltatlas: Libyen [Flash|HTML]
http://www.tagesschau.de/ausland/endstationlibyen100.html
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25 Jahre Schengen-Abkommen
Für Flüchtlinge kein Grund zum Feiern
Europa ohne Schlagbäume - vor 25 Jahren wurde im luxemburgischen Schengen aus der Idee Wirklichkeit. Mit einem Festakt wurde das Ereignis am Vortag des eigentlichen Jahrestages gefeiert. Rund 300 Gäste kamen dazu in den kleinen Moselort, darunter EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, mehrere EU-Außenminister und Luxemburgs Großherzog Henri.
Doch für Menschenrechtler ist das Schengen-Abkommen nicht unbedingt ein Grund zum Feiern. Denn während innerhalb Europas die Grenzkontrollen fielen, wurden sie nach außen verschärft. Menschenrechtler kritisieren vor allem Italiens strikten Umgang mit Flüchtlingen.
Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom
"Amnesty kritisiert viele Dinge. Vor allem die Abschiebung von Bootsflüchtlingen nach Libyen - also in ein Land, das kein Asylrecht kennt", sagt Christine Weise, die Italien-Chefin der Menschenrechtsorganisation. Seit dem 6. Mai 2009 schiebt Italien alle Bootsflüchtlinge direkt nach ihrer Landung wieder nach Libyen ab. Grundlage dafür ist ein Freundschaftsvertrag mit Libyen. Für Italiens Innenminister Roberto Maroni von der fremdenfeindlichen Partei Lega Nord ist es das Mittel der Wahl. "Die Politik der Zurückweisung der illegalen Einwanderer an der Grenze ist sehr erfolgreich, die italienische Regierung wird diese Linie ohne Zögern weiterverfolgen."
Das Resultat dieser Politik: Die Zahl der Bootsflüchtlinge ist drastisch gesunken. Und das oft erwähnte Erstaufnahme-Lager auf der Insel Lampedusa steht seit einem Jahr leer. Komplett leer. Bis Mai vergangenen Jahres kam jeder illegale Einwanderer, der in Italien landete, für ein paar Tage oder Wochen hierher. "Es ist surreal", sagt die stellvertretende Lagerchefin Paola Silvino. "Anders kann man das nicht sagen. An vielen Tagen waren bis zu 1500 Menschen hier, und jetzt nur noch wir. Das macht einen ganz anderen Eindruck."
Italiens verkauft Rückgang der Bootsflüchtlinge als Erfolg
Afrikanische Flüchtlinge vor der italienischen Insel Lampedusa (Foto: AFP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Riskante Flucht über das Mittelmeer - dieses Boot mit mehr als 30 illegalen Immigranten wurde Ende Juni von der italienischen Küstenwache abgefangen. ]
Lampedusa ist einer der neuralgischen Punkte. Wenn es von hier keine Fernsehbilder mehr gibt, dann gibt es auch keine Flüchtlinge, so einfach ist das. Italiens Regierung verkauft das als Erfolg. Laura Boldrini, Sprecherin des Flüchtlingskommissariates der Vereinten Nationen (UNHCR), sieht das anders: "Dass das Lager von Lampedusa leer steht, ist kein positives Zeichen. Das wäre es nur, wenn wir wüssten, dass alle Personen in ihren Heimatländern geblieben sind und dass es ihnen gut geht."
Trotzdem kommen weiter illegale Einwanderer an, wenn auch nicht so viele wie im vergangenen Jahr. Aber diese werden vorübergehend in Lager auf dem Festland gebracht oder eben direkt nach Libyen abgeschoben - und zwar gleich auf den Booten der italienischen Finanzpolizei oder Küstenwache, die die Flüchtlinge auf dem Meer aufgenommen haben.
Scharfe Kontrollen
Außerdem wird schärfer kontrolliert - auch durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex, über deren Einsätze ebenfalls kaum etwas zu erfahren ist. "Ohne Unterschied werden alle gleich behandelt und zurückgebracht, ohne identifiziert zu werden, die Gründe für ihre Flucht zu kennen", sagt UNHCR-Sprecherin Boldrini. "Dieses - in Anführungszeichen - Urteil ohne Berufungsmöglichkeit wird auf alle angewendet - auch auf die, die Schutz benötigen."
Flüchtlinge im Auffanglager auf Lampedusa (Foto: REUTERS) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Italiens Regierung will Bootsflüchtlinge bis zur Abschiebung auf Lampedusa festhalten. ]
Das UNHCR habe Zeugen, sagt Boldrini, dass viele Flüchtlinge daran gehindert worden seien, einen Asylantrag zu stellen - ein klarer und andauernder Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention: "Es sind viele Asylbewerber dabei. 75 Prozent von allen, die 2008 übers Meer nach Italien kamen, haben einen Asylantrag gestellt und die Hälfte dieser Anträge wurde anerkannt." Es gehe also um viele Menschen, die flüchten, weil sie keine Wahl hätten - vor Kriegen oder vor Menschenrechtsverletzungen. "Wenn diese Menschen nicht mehr nach Italien dürfen, bedeutet das für uns nicht, dass das ein Sieg über illegale Einwanderung ist, sondern nur dass die Anwendung des Asylrechtes in Italien auf eine harte Probe gestellt wird", sagt Boldrini.
Zudem wurde das UNHCR vor wenigen Tagen gezwungen, sein Büro in Libyen zu schließen. Wie Libyen mit den Illegalen umgeht, kann man nur vermuten: Boldrini spricht von Straflagern, genaues weiß man nicht.
Menschenunwürdige Bedingungen auf Malta
Auf die Politik der Abschreckung setzt auch Malta. Der kleinste EU-Staat geht mit Bootsflüchtlingen nicht gerade zimperlich um. Illegale, die auf Malta landen, werden mindestens 18 Monate unter ziemlich menschenunwürdigen Bedingungen eingesperrt. Allerdings hat die Insel tatsächlich ein Problem - wer hier ankommt, bleibt hier und das sorgt für erhebliche logistische Probleme. "In den meisten europäischen Ländern kommen ja Asylbewerber in ein Lager und dann werden sie weiterverlegt", sagt Maltas Innenminister Carmelo Mifsud Bonnici. "Das geht bei uns nicht. Das ist ein Riesenproblem für Malta und ein menschliches Dilemma."
Dieses menschliche Dilemma kann man im Safi-Dentention-Center besichtigen. Heruntergekommene ein- und zweistöckige Gebäude sind zu sehen, davor komplett vergitterte Freiflächen mit hohen stabilen Metallgittern, nebenan ein Bootsfriedhof. Die Zustände sind recht fragwürdig, die hygienischen Verhältnisse ebenfalls.
"Die behandeln mich wie ein Tier"
Abrachman aus Somalia wollte eigentlich gar nicht nach Malta, aber sein Boot schlug leck: "Unser Hauptproblem ist die Haft hier, eineinhalb Jahre sind einfach zu viel. Und die behandeln mich wie ein Tier. Wir haben nicht mal gutes Wasser. Schauen Sie doch mal unser Bad an. Wenn hier nachts jemand ernsthaft krank wird, hat er Pech. Wir können an die Tür klopfen, so lange wir wollen - wenn es ernst wäre, würde derjenige sicher sterben."
Ob Malta oder Italien: Jedes Jahr kommen Hunderte Menschen bei der gefährlichen Fahrt übers Mittelmeer ums Leben - von vielen Dramen, die sich vor der EU-Außengrenze im Süden abspielen, erfährt die Öffentlichkeit nichts. Die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl erklärt deshalb: in Sachen Schengen gebe es für Flüchtlinge und Menschenrechtsorganisationen heute keinen Grund zu feiern.
http://www.tagesschau.de/ausland/schengen110.html
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Heimunterricht verboten
Deutsche Familie bekommt Asyl in den USA
Ein US-Einwanderungsrichter hat einem deutschen Elternpaar, das mit seinen fünf Kindern wegen der allgemeinen Schulpflicht aus Deutschland weggezogen ist, Asyl gewährt. Das gab die Organisation Home School Defense Association bekannt, die sich für die Familie eingesetzt hat. Damit kann die siebenköpfige Familie in Tennessee bleiben, wo sie seit 2008 lebt. Uwe und Hannelore R. unterrichten ihre Kinder zu Hause. Die evangelikalen Christen vertreten die Ansicht, dass der deutsche Lehrplan gegen christliche Werte verstößt.
Uwe und Hannelore R. unterrichten am 02.04.2009 in Morristown (US-Staat Tennessee) ihre fünf Kinder zu Hause. (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Ihre Lehrer sind ihre Eltern: die deutsche Familie aus Baden-Württemberg hier in ihrem neuen Zuhause in Morristown (US-Staat Tennessee). ]
Ihren Asylantrag hatte die Familie auch damit begründet, wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt worden zu sein. "Während der letzten zehn bis 20 Jahre lief der Lehrplan in öffentlichen Schulen immer mehr christlichen Werten zuwider", begründete der Familienvater die Entscheidung, die Kinder lieber zu Hause zu unterrichten. In der Schule seien seine ältesten Kinder mit Gewalt, Schikanen und Druck von Gleichaltrigen konfrontiert worden. "Ich halte es für wichtig, dass Eltern die Freiheit der Wahl haben, wie ihre Kinder unterrichtet werden", wird er von der Nachrichtenagentur DAPD zitiert.
Angst um das Sorgerecht nach BVerfG-Urteil
Im Oktober 2006 hatte die Polizei die Kinder zu Hause abgeholt und zur Schule gebracht. Letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung der aus Baden-Württemberg stammenden Familie, ihre Heimat zu verlassen, war nach Worten des Vaters ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2007, wonach in schweren Fällen die Sozialämter Eltern ihre Kinder wegnehmen können. Nach diesem Urteil "wussten wir, dass wir das Land verlassen mussten", erklärte der Vater.
Die Organisation Home School Defense Association, die die Familie in ihrem Asylverfahren unterstützt hatte, macht sich für das Recht auf Heimunterricht stark. Deren Vorsitzender Mike Donelly erklärte, man hoffe, dass das Urteil nun die öffentliche Meinung in Deutschland beeinflusse. Das sei auch ein Teil der Gründe dafür gewesen, der deutschen Familie Rechtsbeistand anzubieten. Die US-Regierung kann gegen das Urteil noch Einspruch einlegen.
Heimunterricht - ein Ausweg aus Deutschlands Bildungsmisere
In Deutschland gibt es geschätzte 500 bis 1000 Familien, in denen die Kinder von ihren Eltern zu Hause unterrichtet werden, obwohl das bis auf wenige Ausnahmen verboten ist. Auch ein Ehepaar aus Bremen wollte sich das Recht erstreiten, seinen Nachwuchs am Küchentisch zu unterrichten. Die Tagesthemen berichteten im Februar 2009 über diesen Fall.
* Video Bildunterschrift: Heimunterricht - Ausweg aus der Bildungsmisere?
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* intern Weitere Video-Formate .
* InternSchulpflicht gilt unabhängig vom Glauben der Eltern (30.07.2004).
* VideoHeimunterricht - Ausweg aus der Bildungsmisere? (03.02.2009).
* AudioUSA gewährt Asyl für deutsche Familie [K. Kastan, BR Washington].
* WeltatlasWeltatlas: USA [Flash|HTML]