19.08.2010 / Inland / Seite 8Inhalt
http://www.jungewelt.de/2010/08-19/001.php
»Da werden traumatische Erlebnisse wieder wach«
Ein Menschenrechtler aus Benin soll in seine Heimat abgeschoben werden – möglicherweise gefährdet das sein Leben. Ein Gespräch mit Mbolo Yufanyi
Interview: Gitta Düperthal
Mbolo Yufanyi ist einer der Sprecher der Flüchtlingsorganisation »Die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten«. Gemeinsam mit der Flüchtlingsinitiative Möhlau/Wittenberg organisieren sie eine Kampagne für deren Begründer Salomon Wantchoucou
Die Flüchtlingsorganisationen »Karawane« und »The Voice« wollen verhindern, daß der 37jährige Menschenrechtler Salomon Wantchoucou aus Benin am 26. August an einer Sammelvorführung in der Ausländerbehörde von Berlin teilnehmen muß – in Gegenwart von Diplomaten aus Benin soll dort zwecks Abschiebung seine Identität überprüft werden. Sie behaupten, die Behörde gefährde damit sein Leben – warum ist das so gefährlich?
Salomon ist ein Kritiker der Beninschen Politik. Er mußte fliehen, weil er 2001 in Opposition zu Benins damaligem Militärdiktator Mathieu Kerikou stand und die korrupten Machenschaften in dem afrikanischen Land bekämpft hat. In dieser Zeit wurde ein Attentat auf ihn verübt – glücklicherweise erfolglos. Man hat in Cotonou auf ihn geschossen, seine linke Hand wurde dabei verletzt. In solchen Fällen kann in diktatorisch geführten Staaten vermutet werden, daß die Regierung sich eines unbequemen Kritikers entledigen wollte; in jedem Fall aber hat der Staat nichts getan, ihn zu schützen oder den Täter festzunehmen. Salomon wurde statt dessen die beninsche Staatsangehörigkeit entzogen, er ist seither staatenlos. 2001 flüchtete er in die BRD.
All das hat er in seinem Asylantrag geschildert. Deshalb ist es gefährlich, wenn er jetzt Botschaftsvertretern vorgeführt wird – im Falle der Abschiebung wäre er nämlich der Verfolgung ausgeliefert. Nach dem Tode seiner Eltern hatte in Benin hat er bei Adoptiveltern gelebt, die aber 2001 bei einem Autounfall ums Leben kamen. Dieser Unfall kann übrigens auch damit zu tun haben, daß man Salomon unter Druck setzen wollte – in einigen afrikanischen Staaten sind solche Methoden gegenüber Regimekritikern durchaus üblich.
Wantchoucou wurde bereits 2003 zwangsweise der beninschen Botschaft vorgeführt. Warum jetzt erneut?
Das fragen wir uns auch. Wir sind davon überzeugt, daß das mit seinen politischen Aktivitäten hierzulande zu tun hat. Er hat sich in »The Voice« und »Die Karawane« engagiert und gegen die Residenzpflicht gekämpft. Mit der von ihm gegründeten Flüchtlingsinitiative Möhlau/Wittenberg hat er mit dafür gesorgt, daß das dortige Flüchtlingswohnheim wegen unwürdiger Unterbringung geschlossen werden mußte. Daraufhin war er seitens der Behörden Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt.
Wird er an der Vorführung teilnehmen?
Es kann doch nicht wahr sein, daß ein Flüchtling sich Diplomaten des-jenigen Landes präsentieren muß, von dem er verfolgt wird. Traumatische Erlebnisse der politischen Verfolgung werden auf diese Weise wieder wach, deshalb tragen die betroffenen Flüchtlinge häufig psychische Schäden davon. Salomon hat jedenfalls beschlossen, sich an der erneut erzwungenen Vorführung zur Beschaffung von Abschiebepapieren am 26. August 2010 nicht zu beteiligen.
Wie können sic h Leserinnen und Leser der jungen Welt am Protest beteiligen?
Wir bitten um Solidarität für diesen mutigen Schritt. Salomon Wantchoucou setzt ein Zeichen gegen rassistische Denkmuster in den Behörden, die Schikanen und Zwangsvorführungen beinhalten. Am heutigen Donnerstag starten wir unsere Kampagne. Auf den Internetseiten der Flüchtlingsorganisationen www.thevoiceforum.org und www.thecaravan.org haben wir Protestschreiben an das Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten in Berlin und die Ausländerbehörde in Wittenberg veröffentlicht. Mit Unterschrift und Datum versehen, können sie an die auf dem Schreiben angegebenen Faxnummern geschickt werden.