26.10.2010 / Inland / Seite 4Inhalt
Abgeschoben in den Knast Linksfraktion fordert bei Abschiebungen Ende der »Komplizenschaft« mit Syrien
Von Ulla Jelpke
Protest gegen Massenabschiebungen am Flughafen Berlin-Schön
http://www.jungewelt.de/2010/10-26/019.php
Foto: Christian Ditsch/Version
Die Bundesregierung hilft Syrien beim Auffüllen seiner Gefängnisse« – diesen Vorwurf erhob gestern die Linksfraktion im Bundestag. Anlaß war die Regierungsantwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion, die die bisherige Kritik an der Abschiebepraxis bestätigt.
Trotz der Menschenrechtslage in Syrien hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr ein sogenanntes Rückführungsabkommen mit der dortigen Regierung geschlossen, das Abschiebungen vereinfachen soll. Gleichzeitig gibt es immer wieder Berichte darüber, daß Abgeschobene sofort bei ihrer Ankunft festgenommen werden.
Die Gesamtzahl der zwischen Januar 2009 und Jahresmitte 2010 Betroffenen erscheint mit 73 zwar gering. Allerdings führt die Bundesregierung selbst zwei Drittel der Maßnahmen auf das noch relativ neue Abkommen zurück. Zu befürchten ist, daß es nach einer Art Testphase in Zukunft zu erheblich mehr Abschiebungen führt.
Der Bundesregierung ist nach eigenem Bekunden bekanntgeworden, daß 14 Personen noch am Flughafen in Syrien festgenommen worden sind. Die Haftdauer habe zwischen drei Tagen und dreieinhalb Monaten betragen. »In einem aktuellen Fall dauert die Haft offenbar seit dem 27. Juli 2010 weiter an«, heißt es in dem Schreiben. Dabei handelt es sich um Khalid Hasan, der gemeinsam mit seinem Cousin Hamza bei der Einreise festgenommen worden war. Nach Angaben von »kurdwatch« war den syrischen Behörden mitgeteilt worden, daß Hamza Hasan in Deutschland wegen Diebstahls verurteilt worden und er drogenabhängig sei. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort bestritten, daß solche Informationen übermittelt werden.
Die Bundesregierung ist sich allerdings sehr wohl der Zustände in Syrien bewußt, in die sie die Betroffenen abschieben läßt. Als sich Ende des vergangenen Jahres Berichte über Festnahmen Ausgewiesener häuften, verhängte sie ein kurzfristiges Moratorium. Bereits im März haben dann aber angeblich »aktuell vorliegende Informationen« die Fortsetzung der Abschiebungen ermöglicht.
Die aktuellen Zahlen verdeutlichen allerdings, daß Festnahmen keineswegs Einzelfälle sind. Das zeigt auch der aktuelle Fall des aus Syrien stammenden, deutschen Staatsbürgers Ismail Abdi. Der in Kiel arbeitende Menschenrechtsaktivist wird seit Anfang Oktober in Damaskus im Gefängnis festgehalten. Mitarbeitern des deutschen Konsulats wird der Zugang zu ihm verweigert.
Aus der Regierungsantwort geht hervor, wie problematisch die Abschiebungen auch aus humanitärer Sicht sind: Zwei Drittel der abgeschobenen Personen lebten schon seit mehr als sechs Jahren in Deutschland, 18 Personen sogar seit mehr als zehn Jahren. Die Linksfraktion fordert, das Rückübernahmeabkommen zu kündigen und einen sofortigen Abschiebestopp zu verhängen.