Sechsfacher Familienvater abgeschoben -
Recht auf Familie nicht für Menschen mit Duldung?
Am Freitag, den 3.12.2010 wurde der 35 Jahre alte Mahmut E. nach einwöchiger Abschiebehaft in die Türkei abgeschoben. Mahmut ist verheiratet und hat sechs minderjährige Kinder zwischen 3 und 13 Jahren. Er selbst flüchtete mit seiner Mutter und Geschwistern 1987 aus dem Libanon, in dem Bürgerkrieg herrschte.
Die Abschiebung vom Freitag ist seine zweite, die ihn wiederholt von seiner Familie trennt. Schon 2003 wurde er abgeschoben, obwohl er kleine Kinder hatte. In diesem Fall steht eigentlich das Recht auf Familie, das sich aus Artikel 6 Grundgesetz und aus Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, über etwaigen Abschiebungsgründen. Eigentlich – denn nun verkehrt die Ausländerbehörde das Recht auf Familie ins Gegenteil: Die gesamte Familie soll gehen. Auch Mutter und Kinder werden massiv unter Druck gesetzt. Den Kindern wurde bereits angekündigt, dass sie bald gehen müssen. Die Ausländerbehörde forderte die Mutter auf, ihre Kinder nachträglich in der Türkei registrieren zu lassen, um dann auch sie abschieben zu können. Die Kinder sind hier geboren und aufgewachsen. Sprache und Land, in das sie abgeschoben werden sollen, sind ihnen fremd.
Am 16. September beschloss die Innendeputation den Erlass des Innensenator Mäurer, nach dem Minderjährige ohne regulären Aufenthaltsstatus ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen sollten. Dies war vorher nicht der Fall, wenn die Eltern falsche Angaben über ihre Identität gemacht hatten. Mäurer hatte in diesem Zusammenhang kritisiert, dass Kinder für Fehler ihrer Eltern bestraft werden. Allerdings soll auch nach dem neuen Erlass keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden „wenn Familienangehörige in erheblichem Maße strafrechtlich in Erscheinung getreten sind“. Dies ist erneut als eine Praxis der Sippenhaftung zu werten, bei der Kinder wieder für Fehler ihrer Verwandten bestraft werden.
Mahmut selbst musste die ganzen Jahre mit einer Duldung leben, da seine Eltern fehlerhafte Angaben bei ihrer Einreise gemacht hatten. Mäurer verstand seinen Erlass „als Möglichkeit, kriminelle Karrieren zu verhindern“. Der Innensenator selbst sah folglich durchaus einen Zusammenhang zwischen der Unsicherheit zu bleiben und Verstößen gegen das Gesetz. Mahmut und seiner Familie ist nun ein Delikt, das er vor 15 Jahren beging, zum Verhängnis geworden: Als Heranwachsender war er im Besitz einer Gaspistole. Außerdem werfen ihm die Behörden vor, er sei nach seiner ersten Abschiebung illegal wieder in die Bundesrepublik eingereist. Ohne dabei zu berücksichtigen, dass seine Familie hier lebt und seine Abschiebung rechtswidrig war.
Dass nun auch seine Frau und seine Kinder abgeschoben werden sollen, macht deutlich, dass die gesamte Familie für unwesentliche und lange zurück liegende Gesetzesverstöße des Vaters in Sippenhaft genommen wird. Unbeteiligte Kinder werden dafür mit einem gravierenden Bruch in ihrem Leben bedroht. Eine Abschiebung würde sie aus ihrem Lebensumfeld reißen und in ein ihnen unbekanntes Land zwingen.
Die Flüchtlingsinitiative Bremen
* verurteilt das Auseinanderreißen von Familien und die Verletzung des Grundrechts auf Familie in diesem wie in allen anderen Fällen
* verurteilt die rechtswidrige Abschiebung von Mahmut E.
* fordert die Ausländerbehörde Bremen auf, die Ausweisung von Mahmut E. und damit zusammenhängende Einreiseverbote aufzuheben sowie von jeglichen Kostenforderungen für diese und die erste Abschiebung Abstand zu nehmen
* fordert die Ausländerbehörde Bremen auf, den hier geborenen Kindern und den sorgeberechtigten Eltern eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz zu erteilen
* kritisiert die Sippenhaftung für ganze Familien, in denen ein Angehöriger einmal straffällig geworden ist. Gesetzesverstöße scheinen dabei weder zu verjähren noch werden klare Kriterien bezüglich des Strafmaßes angewandt.