“Minister Ehiaghighala weist Delegierte der nigerianischen Gemeinde zurück”
The Voice Refugee forum
Während wir gemeinsam mit den Anti-AbschiebungsaktivistInnen unsere Kampagne zum Protest gegen die schändliche Rolle, welche die Botschaften gegenüber ihren Bürgern durch ihre Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung spielen, intensivieren, versammelten sich öffentlich mehr als 50 Menschen, unter ihnen Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlingsaktivisten, Vertreter der nigerianischen Gemeinde und weitere betroffene Personen, um gegen die Abschiebungsanhörung der korrupten nigerianischen Botschaft vom 18. August 2011 in der Central Asylum Reception in Karlsruhe zu protestieren. (https://thevoiceforum.org/node/2220)
Dieser Aufruf, welcher durch die Koordinationsabteilung des VOICE Refugee Forums in Baden-Württemberg mit der Unterstützung von AktivistInnen aus Hessen und Baden-Württemberg, initiiert wurde, erfuhr breite Solidarität aus vielen Gruppen in Deutschland, wie auch von nigerianischen und nicht-nigerianischen AktivistInnen aus Österreich, welche viel dazu beitrugen unserer Kampagne in der nigerianischen Gemeinde in Afrika wie auch in Europa mehr Bekanntheit zu verschaffen. Die Anwesenheit ihres Stellvertreters beim Protest in Karlsruhe wurde durch die Spontaneität der Aktion verhindert, gleichwohl war seine Wirkung bezüglich der Ausbreitung des Aufrufs enorm. (http://thecaravan.org/files/caravan/deportationhearing.pdf)
Die Protestversammlung begann mit einem Eröffnungsvortrag durch den koordinierenden Aktivisten des The VOICE Refugee Forums als Dank für die Solidarität und Anwesenheit des Anti-Abschiebungsnetzwerks aus Frankfurt, Mainz, Mannheim, Heidelberg, Darmstadt, Karlsruhe, wie auch der Flüchtlingsaktivisten und anderer interessierter Personen und Gruppen, welche ihre Solidarität während der Demonstration durch ihre bloße Präsenz und auf weitere Art zum Ausdruck brachten.
Ein Polizeibeamter versuchte die DemonstrantInnen zu provozieren, was zu einer unnötigen Verstärkung der Polizei führte. Dieses Mittel polizeilicher Einschüchterung mit dem Ziel, AktivistInnen als Radikale darzustellen, um von deren Intentionen abzulenken, lief jedoch dank der AktivistInnen, die die Situation unter Kontrolle hielten und das Manöver ignorierten, ins Leere.
Der Konflikt entwickelte sich auf Grund der Weigerung des Polizeibeamten, einigen Vertretern der nigerianischen Gemeinde aus Kassel die Möglichkeit zu bieten, die Durchführung der Abschiebungsanhörung mit dem Botschaftsvertreter zu beobachten, wie es der Delegation der nigerianischen Gemeinde und Vertretern des The VOICE 2008 in Berlin durch den damaligen Botschafter Ridmap angeboten worden war, in Anwesenheit des sich in der nigerianischen Botschaft in Deutschland politisch betätigenden Ministers Okoye, welcher seit dem Höhepunkt der Kampagne in 2008 eine Rolle in der Manipulation der Geschehnisse spielt.
Des Weiteren gab der neue diplomatische Minister Ehiaghighala, welcher die Botschaft in Karlsruhe vertrat, Unwissenheit bezüglich seiner Zusammenarbeit mit der deutschen Abschiebungsbehörden vor, und stellte seine Verantwortungslosigkeit bloß, indem er leugnete, Delegierte der Gemeinde zu kennen, mit denen er zuvor ein Gespräch bezüglich der korrupten Abschiebungsanhörung in Kassel geführt hatte. Diese Leugnung provozierte die Protestierenden besonders angesichts der Abschiebepraxis, in der die Identifikation fremder afrikanischer Gesichter fester Bestandteil der Kollaboration der Botschaft mit dem deutschen Staat ist.
Der Veranstaltungsort war voller Sicherheitsfahrzeuge, in denen Opfer wie Kriegsverbrecher in Handschellen abtransportiert wurden. Einige der identifizierten Fahrzeuge trugen Registrierungsnummern aus Dortmund, Köln, Bonn, Mainz usw. Die Protestierenden skandierten durchgehend bei jeder Abführung: “No border! No nation! Stop deportation!” und “Deportation is Torture, Deportation is Murder, Right to stay for All Immediately” (“Keine Grenzen! Keine Nation! Stoppt die Abschiebung!” bzw. “Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord, ein Recht auf Aufenthalt sofort für Alle!”)
Es ergab sich die Gelegenheit, mit zwei der Opfer zu sprechen, welche sich als burundische und nigerianische Bürger vorstellten und äußerten 11 bzw. 15 Jahre Aufenthaltserfahrung in Deutschland zu haben. Für das Opfer aus Burundi handelte es sich bereits um seine fünfte Einladung zu einer solchen Anhörung in der nigerianischen Botschaft. Er bekundete seine Enttäuschung gegenüber Minister Ehiaghighala, der im geraten hatte seine nigerianische Identität zu akzeptieren. Bei dem nigerianischen Opfer wurde ein Herzproblem diagnostiziert, weshalb er medikamentös behandelt werden muss, was den Vertreter der nigerianischen Botschaft, welcher sich nicht einmal bemühte zumindest Kopien seines medizinischen Befundes mitzunehmen, nicht im Geringsten interessierte.
Die Demonstration war ein weiterer Schritt vorwärts, das Netzwerk der The VOICE Refugee Gemeinschaftssolidarität gegen jede Form von Abschiebungsanhörung auszuweiten. In der Folgezeit planen wir eine Informationskampagne mit der landesweiten Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, dem Anti-Abschiebungsnetzwerk in Frankfurt (Rhein-Main gegen Abschiebung) sowie AktivistInnen aus Wien, Österreich und der Schweiz. Darüber hinaus werden weitere Anstrengungen unternommen, um AktivistInnen aus Brüssel und den Niederlanden als Ländern, die massiv an den gemeinsamen Abschiebungen durch kostengünstigere Charterflüge beteiligt sind, mit einzubeziehen. Außerdem wird die Kampagne jenseits Europas, auf die Heimatländer von Flüchtlingen erweitert, um Zeugnisse von Abgeschobenen zu veröffentlichen und gegen die brutale Abschiebung und Amtsmissbräuche europäischer Staaten und Frontex im Allgemeinen zu protestieren.
Wir werden unsere UnterstützerInnen über jede geplante Abschiebungsanhörung in Deutschland informieren und bitten jeden, der über derartige Informationen verfügt, uns hierüber in Kenntnis zu setzen, so dass wir vor Ort eingreifen können. Zusätzlich sind in einigen Regionen Informationsveranstaltungen geplant, um den Weg für dezentralisierte Versammlungen und Demonstrationen vor den Botschaften in Deutschland freizumachen. Hiermit rufen wir alle solidarischen Gruppen dazu auf uns bei der Verbreitung von Informationen zu unterstützen und die Gemeinschaft der Unterdrückten im Allgemeinen zu stärken. Die mobile Anhörung ist nicht allein auf Nigeria beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf andere Botschaften, die durch ihre Kollaboration die Abschiebung von Flüchtlingen ermöglichen.
Der Protest des The VOICE Refugee Forums
Das The VOICE Refugee Forum und andere Unterstützernetzwerke verurteilen diese Verfolgung und Misshandlung von Flüchtlingen, Asylsuchenden und MigrantInnen in Deutschland und Europa.
Wir fordern, dass die nigerianische Botschaft und die zuständigen deutschen Behörden politisch und rechtlich für jeden Missbrauch - wie die Anhörung in Ludwigsburg in 2007, in welcher Opfer dazu genötigt wurden, sich zu entkleiden und erniedrigt wurden, die fortwährende Misshandlung von Flüchtlingen in Deutschland wie die rechtswidrige Inhaftierung von Smart Imafidon und vieler anderer in Abschiebungsgefängnissen, als auch polizeiliche Misshandlungen während Abschiebungen und die an Joshua Nnabuife und anderen in Abschiebungsgefängnissen ausgeübte Folter - zur Verantwortung gezogen werden.
Wir klagen die Menschenrechtsverletzungen an, die vor und während der Anhörungen verübt werden: Die Verletzung der Privatsphäre bei der Kontrolle von Telefonaten von Opfern während Abschiebungsanhörungen; den heimtückischen Rechtsbruch der deutschen Polizei, die Opfer dazu zwingt deutsche Texte zu unterschreiben, die diese nicht verstehen; traumatisierende polizeiliche Präsenz während der Anhörungen; die auf Flüchtlinge ausgeübte Gewalt durch polizeilichen Druck; deren kollektive Inhaftierung in Polizeizellen am Vortag der Anhörungen zur Vereinfachung des bürokratischen Ablaufs.
Wir verurteilen die Anhörungen an Botschaften als ein Mittel rassistischer Verfolgung und Beseitigung aus mehreren Gründen:
1. Sie basieren auf rassistischen Ordnungsmustern: Die Anhörungen basieren auf der Annahme vermeintlicher rassischer Merkmale wie Gesichtsform, Narben oder Dialekte. Auch im nationalsozialistischen Deutschland wurde von physiognomischen Unterscheidungmustern Gebrauch gemacht, um zu bestimmen, wer Arier, Slawe oder Jude war. Deren Anwendung in einer modernen Demokratie, ohne dass Aufmerksamkeit darauf gezogen wird – liegt es daran, dass es sich um AfrikanerInnen handelt?
2. Sie basieren auf der Vorstellung von Afrika als kulturell weniger entwickelt: Diese implizite Trennung von Europäern und Afrikanern, Weißen und Schwarzen kann auf eine Art von “Rassismus gegen Staaten oder Nationen” zurückgeführt werden. Zumindest in einigen Teilen der deutschen Gesellschaft ist mit der Zeit akzeptiert worden, dass ein/e Deutsche/r nicht zwangsläufig blonde Haare und blaue Augen haben muss. Viele haben gelernt, dass Menschen mit Eltern und Großeltern aus der Türkei, Italien, Polen - oder sogar Afrika - durch den Besitz eines deutschen Passes Deutsche sein, Deutsch sprechen und sich mit der deutschen Kultur identifizieren können, ohne dabei deutsch “aussehen” zu müssen.
Die Praxis von Botschaftsanhörungen basiert jedoch auf der Grundlage, dass ein derartiges Konzept von “Kulturnation” (eine auf der Identifikation mit einer gemeinsamen Kultur basierende Nation) in Afrika nicht existiert. Auf der Basis eines derartig modernen Konzepts von Nation können physische Eigenschaften keine praktischen Beweise zur Identifizierung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation darstellen.
Die offensichtliche Ideologie, die hierhinter steckt, besteht darin, dass eine Afrikanische Nation auf einer Art Tribalismus basieren muss, wohingegen eine fortgeschrittenere Auffassung von Nation, welche auf der Entscheidung, zu einer bestimmten Kultur zu gehören, basiert, Europa vorbehalten bleibt.
Konkret gesprochen existiert das Konzept der Botschaftsanhörungen auf der grundlegenden Unterscheidung zwischen Europa als dem Progressiven und Entwickelten gegenüber einem Afrika, das als rückständig und tribalistisch definiert wird.
3. Abschiebung an sich ist rassistische Beseitigung: Offensichtlich haben Botschaftsanhörungen nicht das Ziel, herauszufinden, wer wirklich Nigerianer ist, sondern zielen vielmehr darauf ab so viele Menschen wie möglich fortzuschaffen, wodurch die ihr zugrunde liegende rassistische Logik, Menschen danach auszusuchen, wer es wert ist hier zu leben und wer nicht, deutlich zum Vorschein kommt.
Die an die Mitglider des The VOICE Refugee Forums in Hof gesendete Einladung zur Anhörung in Halberstadt stellte die Teilnahme und die Abschiebung von Menschen als öffentliches Interesse dar, was dem Anschein nach höher zu bewerten ist als der Anspruch des Abgeschobenen, gegen diese Entscheidung Beschwerde einzulegen. Wie unmenschlich und zynisch ist es denn, unsere Abschiebung als öffentliches Interesse zu bezeichnen, nur weil wir aus einem Land kommen, für dessen BürgerInnen es unwahrscheinlich ist, einen legalen Aufenthalt zu bekommen, BürgerInnen, die abgelehnt werden, weil sie uns angeblich arm machen wollen? Wir, die in Deutschland lange Jahre lebten, arbeiteten, Steuern zahlten, liebten, lachten, atmeten, litten, Kinder großzogen, Freundschaften schlossen, uns die deutsche Lebensart und unsere Rechte aneigneten?
Es ist verstörend zu sehen, wie der Staat seine Abschiebungspraxis als öffentliches Interesse darstellt. In diesem Sinn ist Abschiebung eine Form sozialer Beseitigung, die auf die Auswahl basiert, wer es wert ist hier zu leben und wer nicht. Eine Art von Beseitigung, welche nicht die Intention hat zu töten und doch Ausdruck eines enormen rassistischen Hasses ist, mit dem Ziel, Opfer aus der Gesellschaft zu entfernen. Es kann sogar zum Tod kommen, etwa durch Fahrlässigkeit und Rücksichtslosigkeit der Grenzpolizei oder durch Verfolger in den Heimatländern. Tod, der von deutschen Autoritäten bereitwillig in Kauf genommen wird, Tod, der in der Regel keine Gerechtigkeit findet (siehe Zahlen durch von Abschiebung verursachten Todesfällen in Deutschland und Europa).
Durch die mobilen Abschiebungsanhörungen tritt die Beteiligung der Botschaften in dieser Selektion, Verfolgung und Abschaffung deutlich zu Tage. Sie nähren damit rassistische Vorstellungen von Afrika und AfrikanerInnen und tragen zur kolonialen Kontinuität in Deutschland bei.
Wir rufen im Sinne des tatsächlichen öffentlichen Interesses dazu auf, uns gegen die Missachtung von Flüchtlingsrechten zu vereinigen, und Menschenrechte, Menschlichkeit, das Recht auf ein Leben frei von Verfolgung, das Recht auf Bewegungsfreiheit sowie das Recht auf ein Leben in Würde für Flüchtlinge und jede/n in Deutschland und Europa einzufordern. Wir bitten alle AktivistInnen aus Flüchtlingsgemeinschaften und alle weiteren Anti-RassistInnen, sich zu erheben und gegen Abschiebungsanhörungen zu protestieren! Wir bitten alle Flüchtlinge, die Sorgen haben angesichts einer Abschiebungsanhörung: Unterstützt nicht eure eigene Abschiebung! Die Verweigerung, einer Abschiebungsanhörung beizuwohnen oder während der Anhörung zu reden ist ziviler Ungehorsam gegenüber dem Abschiebungsgeschäft!
Schließt euch uns an, um die Isolation und die Stille um die fatale Rolle der Abschiebekollaboration der Botschaft zu durchbrechen und die Misshandlungen seiner BürgerInnen durch den deutschen Staat zu thematisieren.
German Texts:
Stoppt die Kolonial-Kollaboration der nigerianischen Botschaft mit dem deutschen Staat! https://thevoiceforum.org
Stoppt die Kolonial-Kollaboration der nigerianischen Botschaft mit dem deutschen Staat! https://thevoiceforum.org/node/2214
English:
Protest Continues as Embassy Ignores Call to Stop Corrupt Collaboration https://thevoiceforum.org/node/2231
Protest against the Nigerian Embassy - Deportation Hearing on in Karlsruhe https://thevoiceforum.org/node/2211
/node/2214