Offener Brief an Politiker_innen, Integrationsbeauftragte, Behördenmitarbeiter_innen, Soziale Einrichtungen und Verbände, Kirchengemeinden, und alle anderen am Wohl von Menschen interessierten Einrichtungen und Einzelpersonen.
Wir, die Heimbewohner der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf (bei Stavenhagen) fordern, dass das Heim abgeschafft wird. Die schlimmen Lebensbedingungen hier führen dazu, dass die Menschen Depressionen und andere psychische und physische Krankheiten bekommen, die sie nachhaltig und ein Leben lang schädigen.
Isolation, Ausgrenzung und rassistische Übergriffe
Die Gemeinschaftsunterkunft befindet sich in dem kleinem Dorf Jürgenstorf. Der Ort hat 1100 Einwohner und in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen wir derzeit mit etwa 200 Menschen. Der Ort bietet keine Infrastruktur. Es gibt hier keinen Laden, in dem wir Lebensmittel kaufen können und keine Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wie z.B. Sportvereine. Man kann hier nur essen, trinken und schlafen.
Der nächste Laden befindet sich in dem 5 Km entfernten Ort Stavenhagen, zu dem es nur eine Verbindung mit dem Schulbus gibt. In Ferienzeiten gibt es keinen Bus. Besonders für Kranke, Mütter, die mit ihren Kindern allein hier sind und alte Menschen ist es unzumutbar, dass sie über eine Stunde laufen müssen, um etwas einkaufen zu können. Im Winter ist der Weg noch wesentlich erschwert. Jeder Besuch bei der Ausländerbehörde, im Sozialamt in Demmin oder bei einem Arzt ist sehr aufwändig und gerade für Kranke oft eine unglaubliche Strapaze. Zusätzlich sind diese notwendigen Besuche mit für uns hohen Kosten für die Busfahrt verbunden.
Oft sind wir Bewohner_innen des Heims auf dem Weg nach Stavenhagen fremdenfeindlichen Übergriffen ausgesetzt. Mehrere Bewohner wurden bereits bedroht, einer Frau wurde das Kopftuch herunter gerissen. Viele Menschen, die hier im Heim leben haben daher Angst, wenn sie den notwendigen Weg nach Stavenhagen auf sich nehmen. Auch an der Regionalschule in Stavenhagen, an der viele unserer Kinder zur Schule gehen, spiegelt sich dieses rassistische Klima unter den Mitschüler_innen wieder. Unsere Kinder haben oft Angst zur Schule zu gehen.
Von Jürgenstorf aus ist es uns weiterhin kaum möglich, Kontakte zur einheimischen Bevölkerung zu knüpfen. Viele der Heimbewohner_innen möchten Deutsch lernen, stoßen durch den mangelnden Kontakt zu Deutschen Mitbürgern dabei jedoch schnell an Grenzen. Es gibt im Umfeld des Heimes keine Initiativen, die z.B. freiwillig Deutschkurse anbieten, wie es in anderen Städten der Fall ist. Hier sind wir isoliert und ohne Kontakte.
Die Situation im Heim
Das Haus ist in einem desolaten Zustand. Es ist ein altes, unsaniertes Gebäude. Das Heim ist sehr voll und somit ist die Lärmbelastung sehr hoch. Die Wände sind sehr dünn, es ist nichtmöglich, Ruhe zu finden. An den Küchen muss man zu den üblichen Essenszeiten oft anstehen, damit man Kochen kann. Es gibt nicht ausreichend Backöfen, in denen wir Brot backen können. Von den Wänden bröckelt an vielen Stellen der Putz ab, wir haben immer wieder Probleme mit Ungeziefer
Die Ausstattung in den Zimmern ist zum Teil sehr schlecht. Die Matratzen sind durch gelegen und die Bettwäsche alt. Die Duschen sind vor allem in den oberen Etagen nicht zu regulieren. Sie sind entweder zu heiß oder zu kalt und können nur von der Heimleitung in ihrer Temperatur verstellt werden. Auf dem Gelände des Heims gibt es keinen Spielplatz, auf dem unsere Kinder sicher spielen können.
In dem Heim gibt es keinen Internetanschluss und wir können im Büro keine wichtigen Kopien machen oder Faxe an unsere Anwälte aus dem Heim versenden. Wichtige Kommunikationswege sind uns damit verbaut.
Wir fordern, dass das Heim in Jürgenstorf geschlossen wird, da kein Mensch unter diesen Umständen leben kann. Zu viele Menschen sind schon erkrankt. Wir fordern, dass alle Bewohner_innen des Heimes in Städten leben können, in denen es die Chance auf ein Menschenwürdiges Dasein für uns gibt.
Bitte setzen Sie sich mit uns dafür ein, dass das Heim geschlossen wird. Nehmen Sie sich die Zeit und kommen Sie zu uns, um unsere Geschichten an zu hören und sich selber ein Bild zu machen.
Wenn Sie Fragen haben, dann wenden Sie sich an unsere
Sprecher_innen Katayoun Hosseini Tel: 017673906316
und Nassir Muhammedin Tel: 017637742940 .
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Update: Online Reports and Videos on the protests events:
Break Isolation! Alle Flüchtlingslager schließen – Residenzpflicht abschaffen
https://thevoiceforum.org/node/2294