Online Reports and Videos on the protest events:
Break Isolation! Alle Flüchtlingslager schließen – Residenzpflicht abschaffen
https://thevoiceforum.org/node/2294
Break Isolation - Pressemitteilung der KARAWANE im Vorfeld der Flüchtlingsdemonstration in Erfurt am 22.10.11
An die Öffentlichkeit, An die Presse, An die Bürgerinnen und Bürger von Erfurt
21. Oktober 2011
„Es gibt viele Arten zu töten.
Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen,
einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken,
einen durch Arbeit zu Tode schinden,
einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw.
Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“
Bertolt Brecht
BREAK ISOLATION!
Alle Flüchtlingslager schließen!
Residenzpflicht abschaffen!
- zentrale Demonstration der Flüchtlingsgemeinschaften aus Thüringen in Erfurt
- Außerkraftsetzung der Residenzpflicht für den 22. Oktober 2011
- Aufruf zu Verstärkung der Aktivitäten für die Schließung der Lager in Thüringen
Am morgigen Samstag kommen Flüchtlingsgemeinschaften aus den Isolationslagern in Thüringen in Erfurt zusammen und verteidigen durch ihre Präsenz und ihre Stimmen ihre Grundrechte. Die morgige Zusammenkunft der Flüchtlinge und AktivistInnen unterschiedlicher Netzwerke ist Ausdruck der Solidarität und des Zusammenhaltes gegen die menschenverachtende Politik der Landesregierung Thüringens und der Bundesregierung. Diese missachten täglich die Grundrechte jedes Flüchtlings, zermürben sie physisch und psychisch in Lagern und in Behörden. Sie setzen bewusst Menschenleben in Gefahr.
Jeder unserer Zusammenkünfte wie auch die morgige ist auch ein Gedenken an unsere Brüdern und Schwestern, die nicht mehr mit uns sein können. So gedenken wir morgen unter anderem den kürzlich im Lager Gerstungen verstorbenen Flüchtlings Michael Kelly. Wir tragen die Wut über den Tod unseres Bruders Shambhu Lama im Herzen, der sich im März diesen Jahres angesichts der drohenden Abschiebung in Gifhorn das Leben nahm. Sie beide sind nur zwei Namen unter den vielen Opfern der Flüchtlingsabwehr der Bundesregierung und all ihren ausführenden Institutionen. Während des KARAWANE-Festivals 2010 "Vereint gegen koloniales Unrecht, in Erinnerung an die Toten der Festung Europa" trugen wir letztes Jahr die Namen von tausenden Opfern dieser Politik durch die Straßen Jenas. Morgen werden wir, die Überlebenden dieses Krieges gegen Flüchtlinge unsere Grundrechte und die Zukunft unserer Kinder, Brüdern und Schwestern verteidigen.
Die Stadtverwaltung Erfurt hat in einem 8-seitigen Schreiben Auflagen für den morgigen Aktionstag definiert und versucht den Handlungsspielraum der Aktionsteilnehmerinnen und –teilnehmer einzuschränken. Die Verfolgung von aktiven Flüchtlingen, Freundinnen und Freunde ist kein neues Phänomen. Unterschiedliche Formen der Repression werden permanent gegen aktive Flüchtlinge angewendet: Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die Residenzpflicht, Einschüchterung durch Abschiebeandrohungen, Unterwerfungsversuche durch Entzug von Leistungen und Verweigerung von medizinischer Versorgung. Teilweise enden diese Repressionen und Drohungen tödlich. Doch in den vergangenen 17 Jahren der Selbstorganisation von Flüchtlingen im Bundesgebiet haben diese Einschüchterungen und Verfolgung unseren Kampf für die Verteidigung demokratischer Grundrechte, unseres Lebens und unserer Würde nicht aufhalten können.
In Ihrem Schreiben weist die Stadtverwaltung Erfurt insbesondere auf die Einhaltung der Vorschriften des § 58 des Asylverfahrensgesetzes hin. Dieses Vorschrift ist die Residenzpflicht. Mit der sogenannten Residenzpflicht werden per Gesetz die Grundrechte auf Bewegungsfreiheit und Meinungsfreiheit verletzt. Die Zuweisung der Menschen zu geographischen Orten, Verwaltungsgebieten, Landkreisen wurde von den Kolonisatoren in den Kolonien für die kolonisierten Menschen festgelegt und mit Macht durchgesetzt. Die Residenzpflicht geht zurück auf die nationalsozialistische Polizeiverordnung von 1938 (gültig bis 1965!) und wurde 1982 im Asylverfahrensgesetz erneut festgeschrieben. Dabei wurde gleich das Höchststrafmaß aus der Nazi-Zeit mit übernommen: ein Jahr Gefängnis.
Wir akzeptieren die Verletzung unserer Rechte nicht und werden uns den rassistischen Gesetzen nicht beugen.
Unsere Aktionen, unsere Versammlungen und unsere kulturellen Zusammenkünfte sind deshalb immer auch ein Akt des Widerstands gegen die Residenzpflicht. Insbesondere rufen wir für den morgigen Samstag zur verstärkten Aufmerksamkeit und zur sofortigen Unterstützung und falls nötig zur sofortigen Intervention auf.
Gerade die Residenzpflicht, ihre Anwendung und ihre besondere Erwähnung in den Auflagen für morgen, beweist uns wieder ein Mal das koloniale Erbe in den Amtsstuben der Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen. Es offenbart die Lügen der Bundesregierung, die vorgibt in Afghanistan mit der Bundeswehr die Bewegungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung zu sichern. Die demokratischen Rechte werden nicht außerhalb Deutschlands militärisch verteidigt, sondern hier in Deutschland durch unsere Zusammenkünfte.
Wir vom Netzwerk der KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen unterstützen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln den Kampf der Flüchtlingsgemeinschaften Thüringens und des BREAK Isolation Netzwerkes für die Schließung aller Lager in Thüringen.
Die Lager in Breitenworbis, Gerstungen und Zelha-Mehlis konnten wir durch unsere Besuche in den letzten Jahren besichtigen. Sie sind Orte, an dem menschliches Leben durch kaltblütige koloniale Ideologie verachtet und zerstört wird.
Mit diesen Isolationslager schließen wir keine Kompromisse.
Wir rufen alle dazu auf spätestens im nächsten Sommer 2012 die Schließung der in Thüringen übriggebliebenen Isolationslager in einem Break Isolation Camp vorzubereiten und voranzutreiben.
Araz Ardehali
21. Oktober 2011
Kontakt:
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