Foto: Refugee Protest Camp in Oranienplatz Berlin
English: Dublin II: Deportation to Italy, deportation into homelessness! Meeting on 10.12.2012 | 10:00Hrs in Schinkelplaz-Auswertiges Amt
MORGEN: Montag 10.12.2012 | 10Uhr Schinkelplaz-Auswertiges Amt
Dublin II nach Italien - Abschiebung in die Obdachlosigkeit!
10. Dezember ist internationaler Tag der Menschenrechte. Vor 64 Jahren haben die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet. Wir fordern ein Leben in Würde für alle Menschen!
Die (lebensbedrohliche) Situation für Geflüchtete in Italien ist anzuerkennen. In den vergangenen Jahren lebten nahezu 90 % derer, die durch Dublin II-Rückschiebung wieder nach Italien kamen, auf der Straße. Die Abdeckung der Grundbedürfnisse kann seit Jahren nicht mehr gewährleistet werden, einem Großteil bleibt der Zugang zum staatlichen Gesundheits- und Wohlfahrtssystem verwehrt. Die Unterbringungen für Geflüchtete sind nicht zumutbar und der Willkür unterworfen.
Mehrere Verwaltungsgerichte der BRD haben im Jahr 2012 Rückführungen nach Italien gestoppt, Bezug nehmend auf systemische Mängel und eine Überbelastung im italienischen Asylverfahren. ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/urteil-fluechtlinge-duerfen-n… ) Die Gerichte kommen damit zu einer anderen Einschätzung als die UNHCR im April diesen Jahres, die sich durch die Mängel im italienischen Asylverfahren nicht veranlasst fühlten, sich klar gegen Rückschiebungen nach Italien zu positionieren, anstatt Mittäter der rassistischen Asylpolitik zu sein.
Wie im Falle Griechenlands fordern wir auch in Bezug auf Italien ein Memorandum der UNHCR, das die unmenschlichen Zumutungen für Geflüchtete in Italien sichtbar macht und verurteilt. Wir fordern vom UNHCR eine klare Positionierung gegen Dublin II-Rückschiebungen nach Italien.
Das Asylsystem der EU ist außerdem als Ganzes zu hinterfragen. Im Zeitraum von 2008 bis 2013 wurde im Rahmen von „Solidärität und Stuerung der Migrationsströme“ ein Fond mit 614 Mio. Euro ausgestattet. Gleichzeitig werden 1,2 Milliarden Euro für die Militarisierung der Aussengrenzen (unter anderem für Frontex und IT Großsystem) zur Verfügung gestellt.
Solange Solidarität in Europa weiterhin als Ausgleich zwischen EU-Staaten in Bezug auf „Aufnahmequoten“ und Steuerung von Geflüchteten verstanden wird, so lange Migration nach bzw. innerhalb Europas nur im Sinne von Nützlichkeit und Ökonomie diskutiert wird, solange Menschen kriminalisiert und illegalisiert werden, gewaltvoll von der Einreise nach Europa abgehalten werden und auf dieser ums Leben kommen, solange bleiben humanitäre Gesetzestafeln wie die UNO Menschenrechte-Charta leere Worthülsen privilegierter Menschen aus dem globalen Norden.
Dublin II abschaffen!
Stopp aller Abschiebungen nach Italien und überhaupt!
Stopp der rassistischen, menschenfeindlichen Asylpolitik!
Anerkennung des Rechts auf Bewegungsfreiheit!
english:
Dublin II: Deportation to Italy, deportation into homelessness!
December 10th is the international Human Rights Day. 64 years ago, the Universal Declaration of Human Rights was adopted. Today, we're demanding a life in dignity for all.
The (live-threatening) situation of refugees in Italy needs to be recognized. In recent years, almost 90% of refugees deported to Italy under the Dublin II regulation had to live in the streets. Most basic needs are not fulfilled. Many refugees are denied access to healthcare and social security. Housing of refugees is generally run down and intolerable, and they're subject to arbitrary treatment.
Many courts in Germany have stopped deportations to Italy in 2012, because of systemic deficiencies and the congestion of the Italian asylum procedures. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/urteil-fluechtlinge-duerfen-n… ) So courts are coming to very different conclusions than the UNHCR – which, despite those shortcomings of the Italian asylum system, fails to condemn deportations to Italy. It rather chooses to become an accomplice of racist asylum policies.
Just as in the case of Greece, we demand a UNHCR memorandum on Italy that highlights and condemns the inhumane situation of refugees there. We demand a clear statement of the UNHCR against deportations to Italy.
Moreover, the entire system of asylum in Europe needs to be called into question. For 2008 to 2013, a fund of 614 Million Euro was set up, euphemistically called "Solidarity and Management of Migration Flows". At the same time, 1.2 billion are spent for the militarization of the borders of fortress Europe (including Frontex and giant IT systems).
As long as Solidarity in Europe means nothing more than a balanced quota of refugees and migration control, as long as migration to and within Europe is only discussed in terms of economic usefulness, as long as people are criminalized and illegalized, as long as they are denied to enter Europe by force, or die in the attempt, humanitarian commitments like the UN Declaration of Human Rights remain empty words of the privileged few in the global North.
Abolish Dublin II!
Stop deportations to Italy and elsewhere!
Stop racist and chauvinist asylum policies!
Respect the liberty to move and migrate freely!
##
Marlene Göring 10.12.2012 / Inland
Ausländerpolitik: Rechtlos und eingesperrt
Menschen ohne Rechte: Flüchtlinge werden in Deutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt
Zwischen 500 000 und einer Million Menschen haben in Deutschland keinen Aufenthaltstitel. Sie leben größtenteils in prekären Verhältnissen und können weder ihre Rechte einklagen noch ins Krankenhaus gehen - aus Angst, deportiert zu werden. Alle öffentlichen, nicht-schulischen Institutionen sind per Gesetz dazu verpflichtet, Migranten ohne Dokumente zu melden.
Verantwortlich für einen Flüchtling ist in Europa immer das Land der ersten Einreise. Das heißt, Staaten in der Mitte des Kontinents wie Deutschland übertragen eine gemeinsame Verantwortung auf einzelne Länder. In »sichere Drittstaaten«, in denen nach Meinung der Behörden keine Gefahr für den Asylbewerber droht, kann sofort und ohne Prüfung des Falles abgeschoben werden. Abschiebehaft ist in Deutschland gesetzlich bis zu 18 Monate lang möglich - und wird auch nicht selten bis zu dieser Dauer ausgereizt. Das widerspricht geltendem EU-Recht, das eine Asylhaft nur in Ausnahmefällen und als »letztes Mittel« zulässt. Es gibt keine ärztlichen Untersuchungen bei der Überbringung in Abschiebehaft, gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen wie posttraumatischer Stress werden nicht berücksichtigt. Dies betrifft auch Asylbewerber, die durch Menschenhandel in die Bundesrepublik verschleppt wurden. Sie haben nur eine Chance auf eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie gegen Täter aussagen können und wollen. Ihre zivilrechtlichen Ansprüche auf Schadensersatz bleiben ungewahrt. Asylbewerber in Abschiebehaft sind zudem meist in regulären Haftanstalten gemeinsam mit Straffälligen untergebracht - obwohl diese Regelung gegen die die EU-Direktive 2008/115/EC verstößt. Zurzeit warten Tausende Asylbewerber in Gefängnissen darauf, im Rahmen des Dublin-II-Abkommens von Deutschland aus zwischen den verschiedenen EU-Ländern hin- und her transportiert zu werden. Beim sogenannten »Flughafenverfahren«, einem beschleunigten Asylprozess, werden Flüchtlinge schon an der Grenze, beim Betreten des Flughafens, festgehalten. Während des Verfahrens erhalten sie keinen Rechtsbeistand und haben nur kurze Zeit, um sich auf das Interview mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorzubereiten. Nach der Entscheidung haben sie nur drei Tage Widerspruchsrecht - dann wird die Abschiebung vollzogen. Diese Regelung schließt auch Minderjährige ab 16 Jahren ein, selbst wenn sie allein anreisen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerG) hat das Asylbewerberleistungsgesetz im Juli für verfassungswidrig erklärt. Die Bundesregierung prüft nun eine Novellierung. Das bestehende Gesetz bevorzugt Gutscheine vor Geldleistungen und beschränkt die ärztliche Versorgung auf Notfälle. Auch die Residenzpflicht und die vorgeschriebene Unterbringung in Lagern und Heimen ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Statt das Urteil des BVerG zum Anlass für eine Verbesserung der Lebensumstände zu nehmen, propagiert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich öffentlich das Gegenteil: Er will die Leistungen bewusst unter dem Existenzminimum halten, um keine zusätzlichen Anreize für Wirtschaftsflüchtlinge zu geben. http://www.neues-deutschland.de/artikel/806822.auslaenderpolitik-rechtl…