Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Sektion Nord Ortsgruppe Hamburg
Hamburg, 29.05.2013
• Selbsttötung wegen drohender Abschiebung nach Italien im Lager Eisenhüttenstadt
• Weiterhin keine Unterkunft für die Libyen-Flüchtlinge
• Bezirksamt Hamburg-Mitte vertreibt Kriegsopfer aus Parkanlage
• Hamburger Bürgerschaft diskutiert die Situation in öffentlicher Sitzung ohne Ergebnisse
• Solidarität aus der Bevölkerung wächst langsam weiter
• Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ demaskiert das wahre Gesicht ihrer Demokratie
Gestern Nachterreichte uns die traurige Nachricht, dass ein Flüchtling in Eisenhüttenstadt (Brandenburg) sein Leben beendet hat. Juma (25 Jahre), aus dem Tschad geflohen, sollte heute nach Italien abgeschoben werden. Wir bekommen durch die „Lampedusa in Hamburg“ Gruppe viele Informationen über die katastrophalen Bedingungen in Italien, und es verdeutlicht, die Antwort der italienischen Regierung auf die Weigerung der reichen europäischen Staaten sich der gemeinsamen Verantwortung zu stellen. Daher gibt es auch keinen Weg dorthin zurück, egal wie stur Deutschland und andere Länder daran festhalten wollen. Das Dublin System ist längst gescheitert, jedoch nur der politische Druck und der Zusammenschluss der Betroffenen – die Vereinigung der Flüchtlingskämpfe - kann eine tatsächliche Veränderung bringen. Wir rufen alle auf sich anzuschließen und die Isolation in den Lagern zu durchbrechen. Allein wartet nur der Tod. Wir trauen um Juma und vergessen nicht.
In Hamburg bleibt die Notsituation für die Libyen-Flüchtlinge aufgrund der Blockadehaltung des Senats weiter akut. Heute wurden 9 Personen in medizinische Behandlung gebracht, damit erhöht sich die Zahl auf über 20. Die meisten Erkrankungen sind Lungenentzündungen, Fieber und Gliederschmerzen. Es gibt im Protestzelt jetzt zwei Verantwortliche der Libyengruppe, die die Krankheitsfälle aufnimmt und den Kontakt herstellt, zum unabhängigen Medibüro und seit heute zu zwei weiteren solidarischen Ärzten, die einen provisorischen Behandlungsraum eingerichtet haben und einmal in der Woche medizinische Untersuchung und Versorgung anbieten. Schamlos verbreitet die Sozialbehörde, sie würde medizinische Versorgung organisieren – ein dreiste Lüge, hervorgerufen durch die wachsende kritische Öffentlichkeit. Die Stadt tut nichts außer den Menschen zu drohen „ihr müsst nach Italien zurück“. Eine Unterbringung gibt es nach wie vor nicht, es wird nur der Presse und Öffentlichkeit vorgespielt, dass man sich Bemühen würde, es aber ach so schwierig wäre, etwas zu finden. Man spielt auf Zeit, übt sich weiter in unterlassener Hilfeleistung und belügt die Öffentlichkeit. Tatsache ist, dass die solidarische Hilfe von Einzelpersonen vor allem Jugendlichen und Basisgruppen unter der Koordination der antirassistischen Arbeitsgruppe von „atesh“ organisiert wird.
Am Morgen brachte einer der NATO-Kriegsüberlebenden ein Schreiben des Bezirksamts Hamburg-Mitte zum Protestzelt. Er hatte ihn in seinem kleinen Regenschutziglu gefunden. Seit Wochen schläft er zusammen mit sechs anderen in einer öffentlichen Parkanlage, mehrere zusammen in den zwei Personenzelt und die anderen unter Teppichen, die über zwei Parkbänke ausgebreitet sind. Das Schreiben des Bezirksamts fordert unter der Androhung von Zwangsmaßnahmen zur Räumung bis 15 Uhr des gleichen Tages auf. Bevor dies geschehen konnte, packten sie ihre wenigen völlig durchnässten Habseligkeiten in zwei Plastiksäcke und verlassen den Ort. Einer von ihnen hat sieben Jahre in Libyen für eine deutsche Baufirma gearbeitet und ganz gut gelebt wie er sagt, bis zu dem Tag als die Bomben fielen.
Etwas später am Tag wurde in der öffentlichen Sitzung der Hamburger Bürgerschaft auf Antrag der Fraktion die Linke über die Situation der Libyen-Flüchtlinge debattiert. „Emotionen bringen nichts“ tönte jemand aus der SPD und der Sozialsenator Scheele erklärt zu der Weigerung der Stadt, eine Genehmigung für das Aufstellen von Großraumzelten zu erteilen, in aller Dreistigkeit: - Zelte sind mit mir nicht zu machen, das ist nicht zumutbar für die betroffenen Menschen bei dieser Witterung und ihrem Zustand – Den Blicken einiger anwesender Repräsentanten der „Lampedusa in Hamburg“ Gruppe unter den Zuhörenden weicht er aus. - Sie sind wie die Paschas Eure sogenannten Demokraten - kommentiert einer von ihnen. - Hier in Hamburg haben wir die ganze Scheinheiligkeit ihrer Demokratie und ihrer Menschenrechte kennengelernt –
Am Abend kommen wieder viele solidarische Menschen zum Protestzelt. Für den kommenden Freitag wird eine Protestkundgebung vor einer Bundestagswahlauftaktveranstaltung mit den Hamburger SPD Bundestagsabgeordneten, Johannes Kahrs, und dem Oberbürgermeister, Olaf Scholz angekündigt.
Aufruf und weitere Informationen auf http://lampedusa-in-hamburg.org
„Wir haben nicht den NATO-Krieg gegen Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben“
KARAWANE Tagesbericht, 29.05.2013
Suizid und erzwungene Abtreibung im Lager Eisenhüttenstadt (Brandenburg)
http://thecaravan.org/node/3796