11.07.2013
Harte Strafe für Verstoß gegen Residenzpflicht
Gegen drohende Inhaftierung eines Flüchtlings: Faxkampagne an das niedersächsische Innenministerium gestartet
Von Gitta Düperthal
Die »Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten« ruft auf, sich für Asylsuchende einzusetzen, die immer noch im Gefängnis landen – obgleich ihr einziges Verbrechen darin besteht, daß sie sich ohne Erlaubnis von dem ihnen behördlich zugewiesenen Aufenthaltsort entfernt haben. Aktuell fordert die Organisation auf, sich an einer Faxkampagne für den Flüchtling Alain Nkurunziza zu beteiligen. Die Aktion richtet sich an den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) sowie an das Büro des Oberbürgermeisters Klaus Mohrs in Wolfsburg (ebenfalls SPD). Der 25jährige Nkurunziza, der derzeit im Lager in Fallersleben/Wolfsburg lebt, soll ab Freitag hinter Gitter, weil er sich ohne Verlassenserlaubnis der Ausländerbehörde außerhalb von Niedersachsen aufgehalten hatte. Wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht hatte das Braunschweiger Landgericht ihn im Berufungsverfahren zu einer Geldstrafe von 75 Euro in Raten verurteilt. Er war 2011 in Frankfurt am Main bei einer Polizeikontrolle festgehalten worden. Sein Pech war, daß die Genehmigung, die er bei sich trug, seit zwei oder drei Tagen abgelaufen gewesen sei, so die Karawane-Aktivistin Susanne Wetenkamp-Troukens gegenüber jW. Nach insgesamt drei solcher rassistischen Kontrollen seit 2009 war Alain Nkurunziza es leid, bei den Behörden um Erlaubnis betteln zu müssen, um sich frei bewegen zu können. Dem Gericht hatte er deshalb erklärt, unter solchen Bedingungen nicht weiterleben zu können und die Strafe nicht bezahlen zu wollen. Im Interview mit jW hatte Alain Nkurunziza im Dezember 2012 gesagt: »Ich protestiere gegen dieses Gesetz, weil es mich isoliert und aus der Gesellschaft ausschließt.«
Die Residenzpflicht ist ein Auslaufmodell. Um ihre Abschaffung kämpfen bundesweit Flüchtlingsorganisationen. Sie existiert aktuell in scharfer Form nur noch in Bayern und Sachsen. Zum 1. Juli hatte Thüringen als einer der letzten Nachzügler die Auflage aufgehoben. Das dortige Landratsamt Schmalkalden-Meiningen hatte im vergleichbaren Fall des Flüchtlings Miloud Lahmar-Cherif, der ebenfalls die Zahlung einer Strafe verweigert hatte, seinen Antrag zur Erzwingungshaft zurückgezogen. Auch das niedersächsische Innenministerium hat in diesen Fällen einen Ermessensspielraum. Wie es diesen zu nutzen gedenkt, darüber schwieg sich die Pressestelle bis Redaktionsschluß aus. Statt dessen hieß es: »Die räumliche Beschränkung des Aufenthalts für Asylbewerber und geduldete Ausländer ist durch Bundesgesetz geregelt« – und entziehe sich somit »weitestgehend« der Gestaltung durch die Länder. Niedersachsen habe bereits erlaubnisfreien Aufenthalt im eigenen Land, sowie – in Absprache – mit Bremen. Wer aber diesen Bereich verlasse, könne weiterhin zu einer Geldstrafe verurteilt werden, die mit Haftstrafe erzwungen werden könne.
Bei Alain Nkurunziza, der seit 2007 in Lagern in Niedersachsen lebt, sei die angedrohte Haftstrafe besonders schlimm, so Wetenkamp-Troukens. Auf Grund seiner Biographie und eines Gefängnisaufenthalts in Burundi, sei er schwer traumatisiert. Als 15jähriger sei er von Rebellen entführt worden, habe zwei Jahre in deren Gewalt verbringen müssen, nahezu seine ganze Familie sei ermordet worden. Ein Aufenthalt in einer Haftanstalt würde ihn erneut traumatisieren, er habe große Angst davor.
Faxkampagne gegen drohende Haftstrafe wegen Residenzpflicht gegen Alain Nkurunziza aus Wolfburg: http://thecaravan.org/node/3836
11.07.2013 / Inland / Seite 5Inhalt
http://www.jungewelt.de/2013/07-11/043.php