English version below
To Mr. Frank Nürnberger - Director of ZAST and Deportation Prison Eisenhüttenstadt
An Herrn Frank Nürnberger
Direktor der ZAST und des Abschiebegefängnisses Eisenhüttenstadt
Wir sind ein Netzwerk von politisch engagierten Geflüchteten, Migrant_Innen und anderen solidarischen Menschen, welche regelmäßig das Abschiebegefängnis aufsuchen.
Schon seit einigen Jahren kann die Bundespolizei in Eisenhüttenstadt außergerichtlich beschlossene Abschiebungen von inhaftierten Asylbewerber_Innen durchführen, welche auf dem Weg waren, um ihren Asylantrag zu stellen. Das macht es den Asylsuchenden schwer oder sogar unmöglich, ihre Rechte wahrzunehmen[1].
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wovon wir sprechen, und um zu verstehen, wie die Menschen in dem Abschiebegefängnis unter Ihrer Verwaltung inhaftiert werden, ist es bereits genug, die Praktiken der Bundespolizei am Bahnhof Frankfurt(Oder) zu beobachten. Wenn der Zug Warschau-Berlin ankommt, bringen die Polizeibeamt_Innen rechtlich umstritten gezielt ausgesuchte Menschen mit vermeintlich fremdem Aussehen aus dem Zug (racial profiling[2]). So inhaftieren sie die Asylsuchenden direkt nach einer kurzen Gerichtsanhörung ohne unabhängigen Rechtsschutz.
Ein anderer außergewöhnlicher Umstand in Eisenhüttenstadt ist die Beziehung zwischen der Bundespolizei und dem Gericht. Die Gewaltenteilung, welche eine Demokratie von einem Polizeistaat unterscheidet, scheint für die Asylbewerber_Innen nicht zu existieren. Das wird nicht nur durch die Lage beider Institutionen in einem Gebäude offensichtlich, sondern auch durch das Verhalten der Polizist_Innen während der Gerichtsverhandlungen. Sie erlauben sich, die verteidigenden Anwält_Innen zu unterbrechen und das Wort an sich zu reißen, dies mit der Toleranz der Richter_Innen.
Die Öffentlichkeit wurde bereits aufmerksam auf die politische Machtausübung einiger Richter_Innen des Gerichts in Eisenhüttenstadt. Diese Aufmerksamkeit kam durch eine Anklage von dem Republikanischen AnwältInnen Verein wegen Rechtsbeugung und Volksverhetzung gegen eine Richterin des Eisenhüttenstadter Amtsgerichtes im Oktober 2013 medial zum Vorschein[3].
Bezüglich der medizinischen Versorgung innerhalb der Infrastruktur des Abschiebegefängnisses in Eisenhüttenstadt wurden manche Fälle dokumentiert, in welchen der Amtsarzt nach dem Besuch ernsthaft traumatisierter Personen medizinische Gutachten mit dem Ergebnis des „Asylmissbrauchs“ verfasste sowie sie in seinem ärztlichen Rat als „abschiebetauglich“ einschätzte. Unter unseren Augen wurde ein georgischer Geflüchteter zum Flughafen gebracht und von der Bundespolizei ausgewiesen, und dies direkt von der öffentlichen psychiatrischen Klinik in Eisenhüttenstadt aus, nach einem 11- tägigen Hungerstreik und gegen den Rat der verantwortlichen Ärzte[4].
Aus all den obengenannten Gründen geht klar hervor, dass eine solche Infrastruktur wie das Abschiebegefängnis keinen Daseinsgrund in einer Demokratie hat und dass ihre reine Existenz Selbstverletzungsversuche und Selbstmordversuche von Inhaftierten ohne Anklage mit sich zieht. Dies geschieht regelmäßig, wenn sie keine Möglichkeit haben, um die eigenen
Grundrechte einzufordern.
In der Zwischenzeit bestehen wir darauf, dass konstante Präsenz und unabhängige Beobachtung in einer solchen Situation von systematischem institutionellem Missbrauch absolut nötig sind. Während der letzten Wochen haben wir oft grundlose Einschränkungen in unserem Zugang zu den inhaftierten Menschen im Abschiebegefängnis vonseiten der Aufseher_Innen und der Beamt_Innen der Ausländerbehörde erfahren. In einem Fall erlaubte die verantwortliche Beamtin der Ausländerbehörde einem Geflüchteten nicht, einen anderen inhaftierten Geflüchteten zu besuchen, mit der offensichtlich rassistischen Argumentation, dass die unterschiedlichen Herkunftsländer ein Zusammentreffen nicht erlauben würden. Nachdem der Besucher sich beschwerte, wurde er mit physischer Gewalt von der Beamtin von dem Gelände des Gefängnisses geschmissen.
Wir fordern Herrn Frank Nürnberger auf, diese Hindernisse zu beseitigen und uns freien, ungestörten Zugang zu den Personen zu gewähren, welche in dem Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt gefangen sind.
Wir fordern dringend:
• freien Zugang zum Abschiebegefängnis
• unbegrenzte Gesprächszeit mit den Inhaftierten
• direkten Zugang zur Liste der Inhaftierten
• unbeschränktes Faxen und Kopieren von Dokumenten innerhalb der Anstalt
• die Möglichkeit, Infomaterial mitzubringen und zu verteilen
Das Netzwerk von Geflüchteten, Migrant_Innen und anderen solidarischen Menschen aus Berlin und Brandenburg
Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten
Pressekontakt: 0152 17246673
________________________________________
[1] http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/pressemitteilungen/offener-br…
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Racial_Profiling#Gesetzliche_Lage
[3] http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-ge…
[4] http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/773284/?
ENGLISH.
To Mr. Frank Nürnberger - Director of ZAST and Deportation Prison Eisenhüttenstadt
We are a network of politically engaged refugees, migrants and other solidary persons frequenting regularly the deportation prison.
For several years, the Bundespolizei in Eisenhüttenstadt could execute extrajudicial deportations arresting asylum seekers on their way to make their application, making it difficult or even preventing them to exercise their rights1.
To have an idea of what we are talking about and to understand how the people get to be detained in the Deportation Prison under your administration, it is enough to observe the practice of the Bundespolizei at Frankfurt Oder’s train station. When the train Warsaw-Berlin arrives, the police officers carry out systematically racial profiled controls of every passenger with foreign aspect2. In this way asylum seekers are imprisoned straight away after a short court hearing, without an independent legal support.
Another exceptional circumstance in Eisenhüttenstadt is the relationship between the Bundespolizei and the Court of Justice. The Division of Powers which differentiates Democracy from a Police State doesn’t seem to exist for the asylum seekers. This is not only made visible by the location of both institutions in the same building, but also by the behavior of the police officers during the Court Hearings. They are allowed to interrupt the defense lawyers and to step on the floor at any moment with the tolerance of the judge.
The public media already reported about the political use of justice made by some judges of Eisenhüttenstadt’s Court. In October 2013 charge was pressed for perversion of justice and racial hatred against one of them by the Republican Lawyers Association.3
Concerning medical care in Eisenhüttenstadt Deportation Infrastructure, some cases were documented in which the public medical officer visited seriously traumatized persons and produced medical reports leading to the conclusion of “asylum abuse” and medical advices as “suitable to expulsion”. Under our eyes, a Georgian asylum seeker was taken to the airport and expelled by the Bundespolizei directly from the psychiatric department of Eisenhüttenstadt public hospital against the advices of the responsible doctors, after 11 days of hunger strike.4
For all the reasons mentioned above, it’s clear that such an infrastructure as the deportation prison has no reason to exist in a democracy. Its existence brings people imprisoned without charges to harm themselves and even to attempt suicide. This is happening regularly when they have no way left to claim their basic rights.
Meanwhile we hold firmly that constant presence and independent observation are absolutely necessary in such a situation of systematic institutional abuse. During the last weeks, we have often experienced ungrounded restrictions in our access to people detained in the deportation centre created by the surveillance staff and officers of the Ausländerbehörde. In one case the responsible officer of the Ausländerbehörde did not allow a refugee to visit another imprisoned refugee with the obviously racist motivated argument of the different countries of origin. After the visitor started to complain, the officer used physical violence to kick him out of the area of the prison.
We urge Mr. Frank Nürnberger to remove these obstacles and to give us free access to the people whose lives get trapped in the Eisenhüttenstadt deportation prison.
We demand urgently:
• Free access to the deportation prison
• Unlimited speaking time with the inmates
• Direct access to the list of the inmates
• Unrestricted possibility to fax and copy documents inside the prison
• The possibility to bring inside information material
The Network of refugees, migrants and other solidary persons from Berlin and Brandenburg.
Caravan for the Rights of Refugees and Migrants
1- http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/pressemitteilungen/offener-br…
2- https://de.wikipedia.org/wiki/Racial_Profiling#Gesetzliche_Lage
3- http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/strafanzeige-ge…