Am vergangenen Donnerstag ist am Göttinger Bahnhof zu einem Übergriff von sechs Polizisten gegen einen 18jährigen Flüchtling aus Sierra Leone gekommen.
Bei einer "verdachtsunabhängigen Kontrolle" wurde er derart verletzt, dass er mehrere Stunden in der Notaufnahme verbringen musste. Noch immer leidet er unter den Schmerzen. Er sieht sich nun einer Anzeige wegen Verletzung der "Residenzpflicht" (er ist in Worbis untergebracht und war am Donnerstag auf dem Weg zu seinem Göttinger Anwalt) und einer Anzeige wegen "Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte" gegenüber.
Zwei Tage später demonstrierten ca. 70 Menschen in der Innenstadt gegen den Übergriff. Kurz darauf hat sich ein Aktionsbündnis gegründet, dass in nächster Zeit mit Beobachtungsteams am Bahnhof ähnlichen Übergriffen vorbeugen will und Reisende und PassantInnen informieren und ermutigen möchte, bei Misshandlungen sich einzumischen.
Aus diesen Diskussionen ist auch die Idee entstanden, mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit zu treten, um die Ereignisse bekannt zu machen. Als Vorschlag haben wir den angehängten Text verfasst und bitten euch und Sie, ihn durch Unterzeichnung zu unterstützen.
Die Notwendigkeit dazu liegt auf der Hand. Während die lokale Presse zunächst gar nicht berichtete, erschien nach der Spontandemonstration eine Schilderung, die den Hergang des Vorfalls unbeachtet ließ. Raphael S., der von dem Übergriff betroffene, ist seit einiger Zeit aktiv in der Göttinger Initiative "The Voice", die vor einigen Monaten in mehreren Städten Aktivitäten gegen Polizeigewalt gestartet hat. Weil wir Raphael durch die gemeinsame Arbeit kennen, ist uns die Kontrolle und der Übergriff am Bahnhof bekannt geworden. Für Raphael steht es außer Frage: er wird in der nächsten Zeit offen mit den weiteren Verfahren umgehen. Eine Anzeige gegen die Polizeibeamten ist in Vorbereitung.
Am kommenden Montag soll die untenstehende Erklärung in einer Pressemitteilung verbreitet werden. Wir hoffen dass sich bis dahin viele Unterstützende gefunden haben.
Bitte schickt bzw. schicken Sie eine entsprechende Antwort an den Arbeitskreis Asyl:
akasylgoe@t-online.de
Tel: 0551-58894
Mit freundlichen Grüssen,
Arbeitskreis Asyl Göttingen
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MUT TUT GUT – Greifen Sie ein bei polizeilichen Misshandlungen!
Am 4. März wurde der 18jährige Raphael S. nach seiner Ankunft im Göttinger Bahnhof von zwei Zivilpolizisten zur Personalienüberprüfung angehalten. Als er nach dem Grund der Kontrolle fragte, riefen die Beamten Verstärkung herbei. Raphael S. wurde daraufhin von sechs Polizeibeamten zu Boden geworfen und gefesselt. Die sechs Beamten verdrehten ihm dabei Arme und Beine. Er wurde in die nahegelegene BGS-Wache getragen und zwei Stunden dort festgehalten. Als die Beamten ihn entließen, war Raphael S. nicht mehr in der Lage, zu laufen. Er mußte mit einem Krankenwagen in die Notaufnahme des Göttinger Klinikums gebracht werden. Dort verbrachte er den Rest des Tages. Die Ärzte diagnostizierten Verletzungen im Halswirbelbereich, an einer Schulter, eine Kniegelenkdistorsion am linken Knie, eine Handgelenkdistorsion am linken Handgelenk sowie Prellmarken.
Nach diesem unverhältnismäßigen Übergriff weigerte sich die beteiligten Beamten, ihre Namen zu nennen. Stattdessen erstattete sie Anzeige gegen Raphael S. wegen “Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte”.
Dieser Vorfall im Göttinger Bahnhof und die Berichte des Betroffenen, den wir zum Teil seit einiger Zeit aus unseren gemeinsamen flüchtlingspolitischen Arbeit kennen, haben uns erschreckt und veranlassen uns zu dieser gemeinsamen Erklärung.
Wir verurteilen die Misshandlungen durch die Polizei und die folgende Kriminalisierung des Opfers. Die Betroffenen von Misshandlungen verdienen unseren Schutz und unsere Unterstützung - unabhängig davon wer diese verübt hat.
In ihrem Länderbericht zu polizeilichen Misshandlungen in Deutschland hat Amnesty International abermals unabhängige Instanzen zur Untersuchungen von Misshandlungsvorwürfen gefordert. Dieser Forderung schließen wir uns an. Der Vorfall am Göttinger Bahnhof muss einer unvoreingenommen juristischen Überprüfung unterzogen werden, die beteiligten Beamten sind zu suspendieren. Laut der UN-Menschenrechtskonvention haben alle Menschen das Recht auf Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit. Daher fordern wir die Rücknahme solcher Sondergesetze, wie die “Residenzpflicht”, die Flüchtlingen das Verlassen zugewiesener Städte oder Landkreise verbietet. Gerade dieses Gesetz bildet die Grundlage für willkürliche Kontrollen und strafrechtliche Verfolgung von Menschen, die allein auf Grund ihres Äußeren von Polizisten als “Ausländer” kategorisiert werden.
Aus Anlass der Ereignisse vom 4. März haben einige der untenstehenden Organisationen und Initiativen in Göttingen zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen. Mehrere Beobachtungsteams werden in besonders gefährdeten Gebieten mit hoher Polizeipräzens bei Übergriffen und Misshandlungen durch die Polizei eingreifen. Wir rufen zusätzlich alle Bürgerinnen und Bürger Göttingens auf, seien Sie aufmerksam bei Polizeikontrollen und mischen sie sich ein, wenn es zu Übergriffen und Misshandlungen kommt.
Göttingen, 15.März 2004
Antikriegsplenum Antirassismusplenum Arbeitskreis Asyl Göttingen Basisgruppenliste Erwerbslosenfrühstück Fantifa Gruppe Gegenstrom Gruppe gegen rassistische Polizeigewalt Initiative “kein mensch ist illegal” Göttingen Schöner Leben Göttingen Soziales Zentrum Göttingen The Voice e.V. Africa Forum
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Göttinger Arbeitskreis zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V. Lange Geismarstr. 73, 37073 Göttingen Tel.: 0551-58894,Fax : 0551-58898
Spontandemonstration gegen Polizeigewalt in Goettingen
Presseerklärung von AK Asyl Goettingen Göttingen, 6.März 2004
Protest gegen rassistischen Polizeiübergriff 70 Menschen protestieren in Innenstadt und Bahnhof/ Zeugen des Vorfalls gesucht!
Um gegen den gewaltätigen Polizeiübergriff vom Donnerstag am Göttinger Bahnhof zu demonstrieren, versammelten sich heute Mittag um 12 Uhr 70 Menschen zu einer Spontandemonstration in der Innenstadt. Die Demonstration durch die Fußgängerzone endete im Bahnhof.
„Dieser Übergriff ist kein Einzelfall. Auch in Göttingen kommt es immer wieder zu rassistsichen Übergriffen durch die Polizei!“ hieß es in einem Redebeitrag. Es wurde dazu aufgerufen, sich bei rassistischen Übergriffen einzumischen und diese öffentlich zu machen. Ein Sprecher schloß sich der Forderung von Amnesty International an, unabhängige Untersuchungen zu Polizeiübergriffen gegenüber Flüchtlingen einzuleiten. Die Organisation hatte im Frühjahr die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch Polizei- und Grenzschutzbeamte kritisiert und damit eine öffentliche Debatte über rassistsiche Polizeigewalt angestoßen. Die Notwendigkeit einer solchen Debatte belegt der Vorfall, der sich am Donnerstag im Göttinger Bahnhof ereignete. Der 18jährige Raphael S. wurde von sechs Polizeibeamten bei einer Personenkontrolle gewaltsam zu Boden geworfen und gefesselt. Er mußte später in die Notaufnahme des Klinikums gebracht werden. Mittlerweile wurde von Seiten der Polizei Anzeige erstattet wegen Widerstandes gegen Polizeibeamten. „Diese gängige Praxis der Polizei, gegen die Opfer ihrer Übergriffe Anzeige zu erstatten, soll die Betroffenen davon abhalten, gegen die Übergriffe juristisch und öffentlich vorzugehen. Mit dieser Strategie wird die Göttinger Polizei aber in diesem Fall nicht durchkommen,“ so eine Sprecherin des Arbeitskreis Asyl. Zur Zeit prüft ein Anwalt des Betroffenen rechtliche Schritte gegen die Beamten einzuleiten. Zeugen des Vorfalls, der sich am Donnerstag um 16.50 Uhr im mittleren Teil des Banhofs erreignete, sind gebeten sich telefonisch beim
Arbeitskreis Asyl, Tel. 0551-58894, zu melden. Göttinger Arbeitskreis zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V. Lange Geismarstr.73, 37073 Göttingen, Tel: 0551-58894, Fax: 0551-58898, akasylgoe@t-online.de
Anlage: Protestaufruf
Für Rückfragen: Cornelius Yufanyi (The Voice Göttingen) Tel.: 0170/8788124
Stoppt rassistische Polizeigewalt! Am Donnerstag, 4.März 2004 ist es am Göttinger Bahnhof zu einem gewalttätigen Übergriff von Polizeibeamten gegenüber einem Flüchtling aus Sierra Leone gekommen. Nachdem er aus dem Zug stieg wurde Raphel S. von Polizeibeamten kontrolliert. Als er den genauen Grund für die Kontrolle erfahren wollte, wurde er von 6 Polizeibeamten gewaltsam festgenommen. Bei der Festnahme erlitt er so schwere Verletzungen, dass er in die Notaufnahme der Universitätsklinik eingeliefert werden musste. Als Raphel S., der auch Mitglied der Flüchtlingsorganisation The Voice Göttingen ist, mit dem Zug in Göttingen ankam, wurde er von zwei Zivilbeamten angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. Auf die Frage nach dem Grund für die Überprüfung verwiesen die Zivilbeamten lapidar aufs Ausländerrecht. Als er sich mit der Erklärung nicht zufrieden gab und eine genauere Erklärung für die Personalienüberprüfung einforderte, riefen die Polizisten Verstärkung. Zu sechst (!) warfen die Polizeibeamten den Flüchtling gewaltsam zu Boden, drückten ein Knie in seinen Nacken und legten ihm Handschellen an. Der Flüchtling bat umstehende Personen um Hilfe gegen den gewalttätigen Polizeiübergriff. Ein Mann der sich daraufhin an die Polizeibeamten wendete wurde von diesen ignoriert. Zur Zwangsüberprüfung der Personalien wurde er mit auf die Wache des Bundesgrenzschutzes (BGS) am Bahnhof getragen. Bei der Festnahme erlitt Raphael derart schwere Verletzungen, dass er nicht in der Lage war, selbständig die BGS-Wache zu verlassen. Daraufhin sahen sich die Polizisten genötigt einen Rettungswagen anzufordern, der den Verletzten in die Notaufnahme des Universitätsklinikum brachte. Dort wurde er um 18:30 Uhr aufgenommen, also erst zwei Stunden nach dem gewalttätigen und rassistischen Polizeiübergriff im Bahnhof. Kurz nach 21 Uhr konnte er aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Ärzte diagnostizierten Verletzungen im Halswirbelbereich, an einer Schulter, eine Kniegelenkdistorsion am linken Knie, eine Handgelenkdistorsion am linken Handgelenk sowie Prellmarken. Der Flüchtling leidet noch stark unter den Schmerzen. Er ist bei seinem Arzt in weiterer Behandlung. Immer wieder kommt es – auch in Göttingen – zu rassitischen Attacken durch die Polizei. Innenstädte und Bahnhöfe werden für „nicht-deutsch“ aussehende Menschen und andere „unliebsame“ Personen zu no-go-areas. Stoppt rassistische Polizeigewalt! Freedom Of Movment Is Everybody`s Right! Protestkundgebung Samstag, 6. März 12.00 Gänseliesel