BREAK THE SILENCE!
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http://initiativeouryjalloh.wordpress.com
Am 23. Juni 2007 demonstrierten in Dessau rund 200 Menschen in Gedenken an Oury Jalloh und Dominique Koumadio, der in Dortmund von einem Polizisten erschossen wurde. Anlass für die erneute Demonstration war die Entwicklung des Prozesses um den Tod des Flüchtlings Oury Jalloh aus Sierra Leone/Guinea sowie Angriffe auf Aktivisten der Gedenkinitiative.
Der Prozess gegen die Polizeibeamten Andreas S. und Hans-Ulrich M begann am 27. März 2007, mehr als zwei Jahre nach Oury Jallohs Tod, vor dem Landgericht Dessau. Den Beamten wird "Körperverletzung mit Todesfolge" bzw. die "fahrlässige Tötung" Oury Jallohs vorgeworfen. Eine Aufklärung, wie Oury Jalloh ums Leben kam ist immer noch nicht in Sicht. Obwohl mittlerweile die Befragung der Polizeizeugen sogar durch den Vorsitzenden
Richter an Schärfe zugenommen hat, weil Widersprüche in ihren Aussagen offensichtlich wurden, werden bisher in der Verhandlung grundsätzliche Fragen nicht oder nur am Rande behandelt. Nach wie vor ist z. B. völlig ungeklärt, wie es zum Nasenbeinbruch Oury Jallohs kam, wie das Feuerzeug in die Zelle gelangte und wie der an Füßen und Händen gefesselte Gefangene die schwer entflammbare Matratze angezündet haben soll. Die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" stellt berechtigterweise in ihrem Aufruf zur
Demonstration die Grundannahme des Verfahrens in Frage, das von einem Selbstmord Oury Jallohs ausgeht:
"Alle Ermittlungen sind darauf beschränkt, die These zu beweisen, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet hat." Untenstehend dokumentieren wir die Stellungnahme der Initiative Oury Jalloh.
Stellungnahme der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh:
Diejenigen, denen die Brutalität des südafrikanischen Apartheidregimes bewusst ist, können sich diese Situation nur allzu gut vorstellen: ein schwarzer Mensch ist auf eine Pritsche mit feuerfester Matratze an Händen und Füßen gefesselt. Stunden später ist dieser Mensch tot, sein Leichnam völlig karbonisiert, die oberen Teile seiner Finger komplett weggebrannt.
Die offizielle These: Selbstmord.
Am 7. Januar 2005, ist Oury Jalloh unter genau diesen Umständen in Dessau gestorben und somit auf ewig zu einem Flüchtling gemacht worden. Am selben Tag wurde das Leben eines zweiten Afrikaners von der Polizei ausgelöscht: Layé Konde, der zehn Tage zuvor auf Grund eines gewalttätigen Brechmitteleinsatzes ins Koma gefallen war, verlor sein Leben ebenfalls am 7. Januar 2005. Keiner der verantwortlichen Polizeibeamten ist bisher
verurteilt worden.
Der Tathergang lässt für uns leider nur eine These zu und die heißt: Das war Mord. Seitdem wir uns in der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh organisiert haben, haben wir immer wieder betont, dass der Tod Oury Jallohs für uns so lange Mord bedeutet, wie die Staatsanwaltschaft Dessau nichts unternimmt, um den Fall gründlich aufzuklären. Allerdings sprach die Staatsanwaltschaft schon bevor der Prozess überhaupt begann, ausschließlich von einer These: Das war Selbstmord. Diese These erhält sie bis jetzt
aufrecht, entgegen aller Indizien, wie der feuerfesten Matratze, der Tatsache, dass Oury J. an Händen und Füßen gefesselt war, dem Feuerzeug, das erst in einem zweiten Protokoll auftaucht, dem Nasenbeinbruch, der in einer unabhängigen Autopsie festgestellt wurde, etc.
Die laufende Gerichtsverhandlung im Fall Oury Jalloh bestätigt unsere Sorgen bezüglich der zweijährigen Verschleppung des Prozesses. Der Prozess ist seit seinem Beginn gekennzeichnet von penetrantem Nicht-Erinnern bzw. selektivem Detailwissen seitens der verhörten Angeklagten und Zeugen, die alle der Dessauer Polizei angehören. Obwohl es mehr als genügend Anlässe gäbe, dem Thema Rassismus in Bezug auf den Tathergang sowie den Verlauf des gesamten Prozesses größere Beachtung zu schenken, wird das Thema von der Dessauer Staatsanwaltschaft und dem Gericht konsequent umgangen. Alle Ermittlungen sind darauf beschränkt die These zu beweisen, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet hat.
Stattdessen laufen mittlerweile bereits diverse Ermittlungsverfahren gegen Aktivisten der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Ermittelt wird unter anderem wegen Beleidigung, bezogen auf unsere Worte „Das war Mord“. Einige Aktivisten wurden selbst im Gerichtssaal verfolgt und mit Anzeigen bedroht. Außerdem wurde durch die Beschlagnahmung eines der Transparente mit der Aufschrift „OURY JALLOH, DAS WAR MORD!“ bei einer Mahnwache vor dem
Landgericht unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt.
Kommt zum Prozess - SOLIDARITÄT IST UNSERE WAFFE.
Weitere Prozess Termine:
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Mi 14.11.07
Do 15.11.07
Alle Termine finden im
Landgericht Dessau
Willy-Lohmann-Str. 29
ab 9:00 h
Statt.
Presss
http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksA…
Fall Jalloh
Richter übt scharfe Kritik an Polizei
Appell an Angeklagten - Beamter bestreitet Absprache
von Annette Gens, 24.05.07, 20:56h, aktualisiert 20.08.07, 13:46h
Dessau/MZ. Im Januar 2005 starb der Asylbewerber Oury Jalloh beim Brand in seiner Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau. Der Fall wird derzeit vor Gericht verhandelt, doch die Rekonstruktion der Abläufe gestaltet sich schwierig.
Das Archivfoto zeigt Demonstranten, die zum Prozessauftakt um den Tod von Ouri Jalloh in Dessau mit Polizisten diskutieren. (Foto: dpa)
Haben im Dessauer Prozess um den Feuertod des Afrikaners Oury Jalloh Polizeibeamte ihre Zeugenaussagen abgesprochen und bewusst vor Gericht gelogen? Der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer am Landgericht, Manfred Steinhoff, äußerte am Donnerstag diesen Verdacht und kritisierte mit klaren Worten die Dessauer Polizei.
"Die Aussagen strotzen vor Widersprüchen", sagte er laut Radio SAW. "Die Polizisten, die falsch ausgesagt haben, die kriege ich. Schließlich leben wir in keiner Bananenrepublik, sondern in einem Rechtsstaat." Beamte, die vor Gericht lügen würden, hätten im Staatsdienst nichts zu suchen, so der Richter. Fast eine halbe Stunde wandte sich Steinhoff an den Hauptangeklagten Andreas S., mahnte ihn, er möge seine Aussage überdenken. "Die ganze Wahrheit liegt noch im Dunkeln. Das stört mich. Sie kennen die ganze Wahrheit, rücken Sie damit raus."
Den Appell des Richters hatte der 46-jährige angeklagte Dienstgruppenleiter erwidert: "Ich habe mich weder mit jemandem abgesprochen, noch habe ich ein Interesse daran, jemanden zu decken." Er räumte jedoch ein, vorgestern das Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen gesucht zu haben. Dieser hatte vor zwei Wochen als Zeuge ausgesagt. Seine Schilderungen weichen erheblich von den Aussage anderer Zeugen ab. Wie dem Gericht erst gestern bekannt wurde, soll der Betreffende Beruhigungsmittel eingenommen haben.
Das Verfahren um den im Dessauer Polizeirevier verbrannten Asylbewerber aus Sierra Leone nimmt inzwischen immer größere Dimensionen an. Seit März stehen zwei Polizisten vor Gericht. Sie hatten am 7. Januar 2005 Dienst, als der an Händen und Füßen gefesselte Afrikaner gegen 12 Uhr in der gefliesten Zelle im Keller des Polizeireviers bei einem Brand starb. Dem damaligen Dienstgruppenleiter wirft die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen vor. Er soll dem Afrikaner nicht rechtzeitig geholfen haben. Der zweite angeklagte Polizist soll bei der Durchsuchung des Oury Jalloh ein Feuerzeug übersehen haben. Er ist wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt.
Ein Urteil in diesem Verfahren ist nicht in Sicht, weil sich die Aussagen einiger Polizisten, darunter die von Führungskräften, nicht nur widersprechen, sondern sich geradezu ausschließen. Immer mehr Zeugen werden benannt, die das Gericht hören will. Auch Beamte, die bereits aussagten, sind erneut geladen. "Nur eine Variante kann stimmen", so Steinhoff.
Die Kammer legte gestern Nachmittag weitere Verfahrensweisen fest: Vor Oktober wird vermutlich kein Urteil gefällt werden.
http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=news&itemid=10490&detai…
Nach Freispruch übt Richter scharfe Kritik an Polizei
Beamter brachte sich mit falschem Einsatzbericht selbst in Verdacht der Körperverletzung - Gericht nennt Verhalten der Vorgesetzten Skandal
Von Rita Klein
Bonn. Der Zuschauerraum ist voll mit Polizisten, als ihr Kollege auf der Anklagebank das Urteil der 1. Großen Strafkammer entgegennimmt - mit erwartungsfroher Miene: Der 30-jährige Polizeiobermeister wird erwartungsgemäß vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freigesprochen.
Doch die allgemeine Freude über den Freispruch währt nicht lange. Zunächst stellt Kammervorsitzender Josef Janßen ganz klar, dass die Kammer von der Unschuld des Beamten überzeugt ist.
Der Polizist habe sich den tags zuvor gehörten Gutachten zufolge nach der nächtlichen Verfolgungsfahrt auf der A 555 am 28. August 2004 bei der Festnahme des betrunkenen Autofahrers nichts zuschulden kommen lassen, als er den Kopf des renitenten Mediziners fixiert und dabei möglicherweise verletzt habe. Kollegen und Vorgesetzte im Publikum freuen sich mit dem Beamten über die Rehabilitierung. Doch was dann folgt, trifft sie alle.
Dass der Beamte überhaupt vor Gericht gelandet sei, habe er sich selbst zuzuschreiben - mit einem Einsatzbericht, der "in Teilen objektiv schlicht falsch war, wie das Video zeigt", so Janßen.
Dieses Video entstand, als sich die Kamera im verfolgenden Streifenwagen automatisch einschaltete, und es zeigt, wie sich der Streifenwagen mit dem angeklagten Polizisten am Steuer neben den Wagen des wild flüchtenden Arztes setzt, dessen Auto seitlich berührt und auf den Seitenstreifen zwingt.
Dann springt der beifahrende 42-jährige Polizist mit einem sonst nur bei der Einsatzhundertschaft eingesetzten Schlagstock in der Hand aus dem Wagen, schlägt ohne Zögern die Scheibe des Arzt-Wagens ein und schlägt ihm schließlich auf den Arm. Das Verfahren gegen diesen Polizisten wurde bereits am Vortag gegen 2 500 Euro Buße eingestellt, nachdem ein Polizeigutachter nur den Schlag auf den Arm kritisch beurteilt hatte.
Doch in dem vom 30-jährigen Polizisten unterschriebenen Bericht steht, der Arzt habe den Polizeiwagen gerammt, und der 42-jährige Polizist habe die Scheibe nur eingeschlagen, weil sich die Autotür nicht habe öffnen lassen.
Es folgen weitere Widersprüche. Dass die Amtsrichterin im Strafverfahren gegen den betrunkenen Arzt Ende August 2005 angesichts dieser Diskrepanz zwischen Bericht und Video und angesichts der Verletzungen des Arztes alarmiert Aufklärung forderte, ist für die Strafkammer mehr als berechtigt.
Denn, so Janßen: "Man musste den Eindruck bekommen, hier sollte ein Übergriff der Polizei vertuscht werden." Und das habe überprüft werden müssen. Denn, so der Richter mit Blick ins Publikum: "Wenn wir uns auf das, was die Polizei in ihren Berichten schreibt, nicht mehr verlassen können, worauf denn dann? Wir sind auf korrekte Angaben angewiesen bei der Wahrheitsfindung."
Denn falsche Angaben führten zu einer falschen Grundlage bei der Beurteilung. Das Schlimme aber sei: "Die Kammer ist ein gebranntes Kind, denn das hier ist kein Einzelfall." Das Gericht habe erlebt, dass Polizisten Vernehmungen aus den Akten genommen und behauptet hätten, es habe sie nie gegeben.
Das Gericht habe erlebt, dass Zeugenaussagen manipuliert und wichtige Informationen unterschlagen worden seien. Mit jedem weiteren Beispiel, das er nennt, wachsen Unruhe und Unmut im Publikum.
Still wird es beim für das Gericht gravierendsten Kritikpunkt: Kein Vorgesetzter habe etwas unternommen, als er Kenntnis von dem falschen Bericht in diesem Fall erhielt. "Und dass der Chef der Wache im Zeugenstand lapidar erklärt, man greife nicht ein, wenn so ein Bericht schon im Geschäftsgang sei - da sitzt man fassungslos davor", sagt der Richter. Und: "Das ist der eigentliche Skandal." Nach dem Urteil stehen die Polizisten noch lange im Gespräch zusammen.
(14.07.2007)
++++
Die "Internationale Liga für Menschenrechte" informiert Sie/Euch intern über zwei dpa-Meldungen von gestern und heute zum langen Prozess um den Feuertod von Oury Jalloh vor dem Landgericht Dessau. Die Liga beobachtet diesen Prozess auch weiterhin zusammen mit "Pro Asyl" (bitte unbedingt Copyright beachten):
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KORR-Inland/Prozesse/Ausländer/Polizei/
Langer Prozess um Feuertod von Oury Jalloh - viele Fragen offen
Von Petra Buch, dpa =
Dessau-Roßlau (dpa/sa) - Wehrlos, gefesselt an Händen und Füßen, starb der Asylbewerber Oury Jalloh am 7. Januar 2005 grauenvoll bei einem Brand in der Gewahrsamzelle 5 des Polizeireviers Dessau. Das Obduktionsergebnis: Todesursache Hitzeschock. Der Afrikaner aus Sierra Leone wurde nur 23 Jahre alt. «Die Umstände seines qualvollen Feuertodes und wer dafür die Verantwortung und die Schuld trägt, ist auch fünf Monate nach Beginn des international Aufsehen erregenden Prozesses ungeklärt», sagt Rolf Gössner, Präsident der «Internationalen Liga für Menschenrechte (Berlin)», der auch für «Pro Asyl» (Frankfurt/Main) das Verfahren seit Beginn beobachtet. Angeklagt sind zwei Dessauer Polizisten.
Sachverständige kamen im Vorfeld zu dem Schluss, der Afrikaner könnte noch am Leben sein, wenn ihm rechtzeitig geholfen worden wäre. Das Landgericht der neuen Doppelstadt Dessau-Roßlau setzt nach bisher 19 Verhandlungstagen am Montag (20.8.) den Prozess nach dem Sommerurlaub fort. «Es sollen eine ganze Reihe weiterer Zeugen befragt werden, 14
Verhandlungstage sind zunächst bis zum 15. November terminiert», berichtet Gerichtssprecher Frank Straube. Ob sich dann der Prozess dem Ende nähert, sei völlig offen.
Seit Ende März müssen sich der damalige und zwischenzeitlich suspendierte Dienstgruppenleiter und ein weiterer Polizeibeamter vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vorgesetzten Körperverletzung mit Todesfolge, dem zweiten Polizisten fahrlässige Tötung - jeweils durch Unterlassen - vor. Die beiden Beamten haben
dies im Wesentlichen bestritten. So soll der Dienstgruppenleiter den Brandmelder aus der Zelle weggedrückt und dem Asylbewerber nicht rechtzeitig geholfen haben, sein Kollege soll zuvor bei der Durchsuchung des Afrikaners ein Feuerzeug übersehen haben. Damit soll Jalloh trotz seiner Fesselung die Matratze, die als feuerfest galt, angezündet haben - doch wie und warum er das getan haben soll, sind weitere offene Fragen.
Nach Ansicht von Gössner sind während der Befragung von Zeugen aus den Reihen der Polizei zahlreiche Erinnerungslücken und eklatante Widersprüche aufgetreten. Dem Vorsitzenden Richter der 6. großen Strafkammer, Manfred Steinhoff, platzte deshalb regelrecht der Kragen. Er kündigte an, der Prozess werde so lange dauern, bis der Fall restlos aufgeklärt sei. «Das ist bisher aber keineswegs in greifbare Nähe gerückt»,
sagt Gössner, der selbst Jurist ist.
Richter Steinhoff hatte in seiner Standpauke betont, dass ein demokratischer Rechtsstaat nicht damit leben könne, dass Polizeibeamte vor Gericht die Unwahrheit sagen und damit auch Angeklagte schützen wollen. Sie seien zur Wahrheit gesetzlich und moralisch verpflichtet. Auch falsch verstandene Kollegialität lasse er nicht zu, so werden Beamte als Zeugen nochmals befragt. «Ursprünglich waren nur sechs Verhandlungstage in dem Fall vorgesehen, es ist gut, dass nun während der Verhandlung vieles hinterfragt
wird» meint Marco Steckel, Chef der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, die eng mit dem multikulturellen Zentrum in Dessau-Roßlau zusammenarbeitet.
Er sieht den Prozess als eine «Nagelprobe für den Rechtsstaat in Sachsen-Anhalt» und fordert wie auch der Menschenrechtler Gössner eine konsequente Aufarbeitung der Geschehnisse innerhalb der Polizei, auch im Nachklapp des Prozesses. «Die bisherigen Zeugenvernehmungen ergeben ein teilweise erschreckendes Bild von den Zuständen im Verantwortungsbereich des Hauptangeklagten Dienstgruppenleiters - man könnte auch von organisierter Verantwortungslosigkeit sprechen», sagt Gössner, der zudem eine «latent
rassistische Motivation» bei den angeklagten Polizisten nicht ausschließen mag. Steckel sieht Rassismus bei der Polizei als eine «Grauzone» und dies auch im Alltag der Polizisten begründet, die mit Kriminalität und auch mit kriminellen Ausländern zu tun
hätten.
«Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Hintergrundwissen bei der Polizei für den Umgang mit Migranten», sagte er. «Polizisten müssen konkret selbst erfahren, es gibt auch positive Erlebnisse mit Ausländern, es gibt auch andere Migranten, die nicht kriminell sind», sagte Steckel. Ein multikulturelles Fest sei zwar eine gute Sache. «Das reicht aber nicht aus».
Jalloh war in Gewahrsam genommen worden, weil im Stadtgebiet Ein-Euro-Jobberinnen belästigt haben soll.
dpa pb yysa a3 dh
190800 Aug 07
20.08.2007 - aht0022 4 pl 275 lah 4168
Prozesse/Ausländer/Polizei/ (dpa-Gespräch - Zusammenfassung 1145)
Fall Jalloh: Menschenrechtler fordert Aufklärung und Konsequenzen
Berlin (dpa/sa) - Nach dem Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in ei-ner Dessauer Polizeizelle vor gut zweieinhalb Jahren fordern Menschenrecht-ler weiter mit Nachdruck eine lückenlose Aufklärung des Falls.
«Da ist vieles im Detail noch ungeklärt, gerade was die polizeiliche Verantwortung für die menschenunwürdige Behandlung und den grausamen Tod des Migranten in Polizeiobhut betrifft», sagte der Präsident der Internationalen Liga für Men-schenrechte (Berlin), Rolf Gössner, am Montag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
«Durch die bisherigen Zeugenvernehmungen während des Prozesses ha-ben wir zum Teil erschreckende Einblicke in die Organisation, das Verhalten und die Mentalität innerhalb des Dessauer Polizeireviers gewonnen», sagte Gössner. «Aus dem Zwischenbefund einer gewissen organisierten Verant-wortungslosigkeit müssen meines Erachtens dringend politische Konsequenzen gezogen werden, etwa was personelle Verantwortlichkeiten,
Qualität gewahrsamsärztlicher Untersuchungen und Menschenrechtsbildung anbelangt».
Gössner forderte zudem, strukturelle Missstände bei der Polizei transparent zu machen und Fehlentwicklungen auch mit Hilfe unabhängiger Kontrollinstitutionen wie einem Polizeibeauftragten mit besonderen Kontrollrechten zu begegnen. «Es stellt sich etwa die Frage, ob die Polizei einen stark betrunkenen Menschen ohne ihn zu beaufsichtigen in einer Zelle an allen vier Gliedmaßen fesseln darf», sagte der Menschenrechtler mit Blick
auf den Zustand des Asylbewerbers bei seiner Festnahme, «oder ob ein solcher Mensch nicht in medizinische Obhut gehört.»
Seit Ende März müssen sich vor dem Landgericht Dessau-Roßlau zwei Polizisten wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie fahrlässiger Tötung, jeweils durch Unterlassen, verantworten. Sie hatten am fraglichen 7. Januar 2005 im Dessauer Polizeirevier Dienst und sollen mitverantwortlich für den Tod des Afrikaners sein. Dieser soll das Feuer in seiner Zelle trotz Fesselung selbst verursacht haben.
(Internet: www.ilmr.de)
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201145 Aug 07