Informations- und Diskussionsveranstaltungen mit Mehrandokht Feizi, Filmemacherin aus dem Iran und ReferentInnen der Frauenorganisation 8. März
E N G L I S H :
Support the campaign tour of Iranian refugees:
http://thecaravan.org/node/1594
21. Juni 2008 Wuppertal, 16:00uhr, Frauenverband Courage, Holsteiner Str. 28
22. Juni 2008 Bielefeld, 18:00uhr, IBZ - Teutoburger Straße 106
26. Juni 2008 Hamburg, 19:30uhr, B5 - Brigittenstr. 5
27. Juni 2008 Bremen, 20:00uhr, Kurzschluss - lahnstr. 27
5. Juli 2008 Frankfurt, 19:30uhr, Stadtteiltreff Rödelheim - Alt-Rödelheim 12
Für mehr Info:
https://thevoiceforum.org/node/859
Die Filmemacherin Mehrandokht Feizi ist seit Anfang 2007 Asylbewerberin in der Bundesrepublik Deutschland (Hintergrundinfos). Im Iran wirkte sie als Schauspielerin in mehreren Filmen und in der Hauptrolle des Kinofilms „Sadr-e Azam“, ein Film über die Zeit der Qajaren im Iran. Sie studierte an der Soureh Hochschule in Teheran und machte im Laufe ihres Studiums vier Kurzfilme.
Im Rahmen einer Kooperation zwischen der Soureh Hochschule und der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf Potsdam wurden mehrere Filme im Iran gedreht. Sie war als Regieassistentin eines dieser Filme über das Leben der Frauen im Iran vor Ort verantwortlich für die Auswahl der Interviewpartnerinnen und der Interviews selbst. Von ihrem Professor war sie für die Abwicklung des Films und seiner politischen Linie benannt worden. Aufgrund der Vorfälle während der Dreharbeiten und das was danach folgte, sah sie sich, als sie mit den Studentinnen und den Professoren ihrer Hochschule in Potsdam war, gezwungen, nicht mehr in den Iran zurückzukehren (Hintergrundinfos).
Seit ihrem Asylgesuch in Deutschland ist sie in der Frauenbewegung und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen aktiv tätig.
Sie nahm im Vorfeld des G8-Gipfels an der karawane-tour 2007 teil und dokumentierte die Aktionen und die besuchten Orte und die Situation der Flüchtlinge in Deutschland. Seit dem beteiligt sie sich an den bundesweiten Kampagnen der Karawane und ihrer Vorbereitung.
In dem Lager Blankenburg, wo sie bis letzten November 2007 lebte, drehte sie zwei Kurzfilme. Sie veranstaltete einen Film-Workshop an der Hochschule in Oldenburg. Zurzeit arbeitet sie an zwei größeren Filmprojekten. Ein Film beschäftigt sich mit der Situation dreier Sänger, alle afrikanische Flüchtlinge wohnhaft im Lager Blankenburg bei Oldenburg. Der Film erzählt von ihrem Leben unter ständiger Drohung der Abschiebung und von ihrer politischen Musik. Der zweite Film wird anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen gefertigt und soll die Geschichte der Flüchtlingsselbstorganisation in Bildern und Worte zusammenfassen.
Bei Aktionen der Frauenorganisation 8. März setzte sich Frau Feizi aktiv gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran ein. Bei der diesjährigen Veranstaltungen zum 8. März hatte sie als Dichterin und Teilnehmerin aktiven Anteil am Erfolg der Veranstaltung bei.
Die Frauenorganisation 8. März ist ein Zusammenschluss von Frauen aus Afghanistan und Iran (Beschreibung unten). Sie setzen sich für die Beseitigung der Unterdrückung der Frauen und kämpfen international mit anderen Frauenorganisation gegen die weltweite Ausbeutung und Ausgrenzung von Frauen ein.
Warum Frau Mehrandokht Feizi in Deutschland Asyl suchte…
Im Sommer 2006 reisten Studenten der „Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf“ aus Babelsberg und der Universität Wien unter der Leitung von Prof. Klaus Stanjek in den Iran, um dort gemeinsam mit Studenten der Filmhochschule der Universität Soureh an einem Filmprojekt mitzuwirken.
Das Filmprojekt sollte aus acht Kurzfilmen bestehen. Die Themen, Inhalte und die Regisseure waren im Vorfeld von den iranischen und deutschen Professoren gemeinsam festgelegt worden. Ein Filmprojekt, das unter der Regie eines österreichischen Studenten gedreht werden sollte, ist aus politischen Gründen abgebrochen worden. Folglich wurden nur sieben Filme im Iran gedreht. Einer dieser sieben Filme war eine Dokumentation über die iranischen Frauen.
Ich arbeitete bei diesem Film als Regieassistentin und als Übersetzerin. Aufgrund der Tatsache, dass die georgische Regisseurin der Hochschule von Potsdam-Babelsberg weder die Situation der iranischen Frauen kannte noch persisch sprach und auch ihre mitgereisten Kommilitonen weder Kontakt zu iranischen Frauen hatten, noch sie und ihr Umfeld kannten, habe ich zusätzlich zu meiner vorgesehenen Aufgabe noch größere Verantwortung übernommen. Die Kontaktaufnahme, die Auswahl und das Führen der Interviews und der Gespräche unterlagen neben den üblichen Aufgaben einer Regieassistentin in meinem Verantwortungsbereich.
Der Drehort war ein Restaurant im Teheraner Hauptbahnhof. Dieser Bahnhof ist der größten im Iran. Vom Restaurant aus gab es ein Fenster, von wo aus der Wartesaal überblickt werden konnte.
Im Iran sind offizielle Dreherlaubnisse für das Filmen notwendig. In Einzelgesprächen hatten wir gemeinsam mit Professor Klaus Stanjek und mit Tinatin Gurchiani, die georgische Regisseurin, vereinbart, zwei Filme aus den Filmaufnahmen zu machen. Eine 15-minütige Version entsprechend den Kriterien der islamischen Republik Irans sollte der Universität Soureh übergeben werden. Eine zweite, längere Version sollte für Zwecke, die ich bis heute nicht kenne, aus den Drehmaterialien gemacht werden.
An den Drehtagen führte ich zahlreiche Interviews mit den Frauen. Die Inhalte der Interviews sind nach den Maßstäben der islamischen Republik Irans für die Öffentlichkeit verboten. Am dritten Tag der Dreharbeiten kam ein ziviler Sicherheitsbeamter zum Drehort. Er teilte uns mit, dass sich jemand beschwert hätte. Wir würden Filme machen, die gegen die islamischen Regeln und die der islamischen Regierung Irans verstoßen. Er wollte die bereits gedrehten Filmmaterialien anschauen. Da ich im Iran die direkte Verantwortung für die Inhalte des Films hatte, habe ich durch Diskussionen und Vorzeigen der Dreherlaubnisse dem Beamten das Anschauen der Filme verweigert. Der Beamte ging. In diesem Augenblick hatte Klaus Stanjek, der sehr erschrocken war, sich die Kassetten vom deutschen Studenten, der für die Tonaufnahmen verantwortlich war, geben lassen, um sie zu beseitigen. Er warf die Kassetten in den ersten Mülleimer, den er im Bahnhof sah. Dabei bemerkte er nicht, dass der Sicherheitsbeamte ihn verfolgt hatte. Klaus Stanjek wurde zusammen mit den Kassetten zum Polizeibüro des Bahnhofs gebracht. Dort angetroffen, sah ich wie er immer noch schockiert, den Beamten erzählen will, dass er nicht schlimmes mit dem Film beabsichtige. Der Beamte sagte mir, ich solle ihm meine Telefonnummer geben, dann würde er uns die Kassetten wiedergeben und uns freilassen. Nachdem wir die beschlagnahmten Filme gesehen hatten, und ich auf die kritischen Interviewfragen hingewiesen worden bin, war ich gezwungen die Telefonnummer herauszugeben. Wir alle wurden entlassen.
Bis zum Verlassen der deutschen Gruppe aus dem Iran bin ich mit dem Beamten telefonisch in Verbindung gewesen, damit die Gefahr an uns vorbeizieht. Nach der Ausreise der deutschen Gruppe habe ich den Beamten des Sicherheitsdienstes wegen sexueller Belästigung angezeigt. Der Beamte seinerseits bezichtigte mich politische Filme gemacht zu haben und die ganze Angelegenheit sollte vor dem Gericht verhandelt werden. Ich bekam Anrufe von ihm, in denen er mir drohte. Falls ich zur Verhandlung erscheinen würde, würde er mich umbringen oder mein Gesicht mit Säure bespritzen. Diese ganzen Vorfälle habe ich auch einem deutschen Studenten mit dem ich immer noch in Kontakt war geschildert und ich war mir sicher, dass Klaus Stanjek auch diese erfahren würde. Kurze Zeit darauf bin ich mit einer iranischen Studentendelegation für die Fertigstellung der Filme nach Potsdam gekommen.
In Potsdam wohnten wir in einer Pension. Ich war weiterhin mit meinen Problemen beschäftigt, weil kurz vor der Abreise wieder ein Brief vom Gericht gekommen war. Der verantwortliche iranische Leiter des Projekts erfuhr durch Klaus Stanjek von den Problemen. Ich merkte, dass sich die Situation beständig für mich verschlechterte und dass ich vor den anderen zurück fliegen sollte und mein Flug schon bestätigt war. Ich entschied mich hier Asyl zu beantragen.
Mit Hilfe einer iranischen Oppositionsgruppe fand ich einen Rechtsanwalt. Wir vereinbarten zwei Tage später Asyl zu beantragen. Als ich in die Pension zurückkam, wurde ich von Klaus Stanjek, einige Studenten aus der Gruppe und der iranischen Delegation umzingelt. Sie bedrängten mich massiv, wollten meinen Pass haben und bewachten mich, um mich am nächsten Tag mit dem Flieger in den Iran zu schicken. Klaus Stanjek sagte mir, dass er alles tun werde, damit ich zurückkehre. Mit Überraschung sah ich ihn auf der anderen Seite und nicht bei mir.
In der Nacht entfloh ich der Pension. Fuhr mit dem Zug nach Paris. Von dort flog ich mit der Hilfe meiner Schwester nach Schweden und beantragte dort Asyl. Ich hatte Angst, in Deutschland um Asyl zu bitten. Nach vier Monaten wurde ich nach Deutschland zurückgeschickt. Hier beantragte ich wieder Asyl. Nach etwa zehn Monaten wurde mein Antrag durch das BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Der Richter des Verwaltungsgerichts Osnabrück hat einen Beweisbeschluss angeordnet. Ein beauftragter Iran-Experte soll einige offene Fragen des Gerichts klären.
April 2008, M. Feizi
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Die Frauenorganisation 8. März (iranisch-afghanisch)
Wir sind eine Gruppe von Frauen aus dem Iran und Afghanistan, Frauen mit unterschiedlicher Hintergründen und unterschiedlichem Grad an Erfahrungen in sozialen und politischen Aktivitäten. Ende 1997 kamen wir uns zum ersten Mal zusammen, um gemeinsam für die Beseitigung der sexuellen Unterdrückung und männlich-chauvinistischen Beziehungen einzutreten. Einige von uns waren Teil der Revolution von 1979 im Iran, an dessen Anschluss die Frauenbewegung gegen die Auferlegung der Schleier begann. Einige von uns begannen sich der Taliban in Afghanistan zu widersetzen. Einige von uns waren Aktivistinnen in linken Organisationen und einige haben es einfach nur satt gehabt ständig durch die Gesellschaft und der Familie als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden. Aber eines haben wir gemeinsam: unser Wille gegen die Unterdrückung der Frauen zu kämpfen.
Wir glauben, dass der Kampf für die Befreiung der Frauen ein politischer Kampf ist und wenn Frauen gegen patriarchale Strukturen aufbegehren, sind sie unvermeidbar in politischen Kämpfen involviert. Politik, so glauben wir, ist die Arena, wo wir punkten können gegen das patriarchale System und die daraus resultierende sexuelle Unterdrückung. Aber mit Politik meinen wir nicht die herrschende Politik der Staatsmänner, sondern eine von den reaktionären, islamischen, fundamentalistischen Herrschern und die sie legitimierenden Kräfte unabhängige Politik. Wir glauben, dass für die Erfüllung unserer Ziele die Frauenbewegung unabhängig von den männlichen Verfechtern der Herrschaft einer Gruppe in der Welt und somit unabhängig von den Männern sein sollte.
Gleichzeitig können Frauen in sozialen und in politischen Sphären nur dann intervenieren, wenn sie sich selbst von den Ketten, die sie zu Hause zurück halten, befreien.
Wir sind bestrebt gegen alle Formen der Unterdrückung der Frauen sowohl versteckte als offene zu kämpfen. Wir sind nicht für die subtilere und „weichere“ Form der Unterdrückung, die unsere Schwestern im Westen erdulden. Wir sehen uns selbst an der Seite der Frauen im Westen gegen die männliche Vorherrschaft in den Staaten und gegen die dominierenden männlichen Strukturen in diesen Ländern.
Wir initiieren und nehmen Teil an Kampagnen um soziale und politische Themen. Darunter waren sowohl Kampagnen gegen die Hinrichtung von Frauen, gegen die Steinigung von Frauen in Iran und Afghanistan, gegen den so genannten „Ehebruch“, gegen die Prostitution als auch Kampagnen für die Verteidigung der Flüchtlingsrechte und gegen die Verfolgung und Hinrichtung der politischen Gefangenen. Wir haben auch aktiv an den Widerstand gegen die von USA und dem Westen geführte Invasion in Irak und Afghanistan teilgenommen. Jedes Jahr feiern wir den Internationalen Frauentag am 8. März und sind bestrebt diese Feier gemeinsam mit unseren Schwestern aus der ganzen Welt zu gestalten. Zuletzt haben wir mit anderen Aktivistinnen eine Kampagne für die Beseitigung aller ungleichen Gesetze gegen die Frauen im Iran gestartet. Wir sind in Deutschland, Großbritannien, Niederlanden, Schweiz, Kanada und Türkei vertreten.
Seit 2001 veröffentlichen wir in jedem Quartal die Zeitschrift 8. März in farsi (persisch). Diese beinhaltet neben Artikeln über die Situation der Frauen in Afghanistan und Iran und ihr Kampf, Diskussionen mit Aktivistinnen aus der Frauenbewegung, Themen zum feministischen Bewusstsein und politische Analysen und das Entlarven des Imperialismus und der Reaktion, sowie kulturkritische Artikeln alle aus der Sicht der Fraueninteressen. Wir sind bestrebt ein Sprachrohr für all die mutigen Frauen zu sein, welche die patriarchale und männliche Dominanz tagtäglich entlarven.
Unsere Internetseite (www.8mars.com) dient der Verbreitung der progressiven Frauenperspektiven und Berichte über die Situation der Frauen und ihren Kämpfen weltweit.
Wir sehen den Kampf der Frauen gegen die Unterdrückung in Iran und Afghanistan nicht isoliert vom Rest der Welt. Wir nehmen teil an unterschiedlichen Plattformen, um Menschen über unsere Situation zu informieren.
Wir sind eine unabhängige Organisation, die auf nichts als unsere eigene Anstrengung in diesem Kampf aufbaut. Wir rufen unsere Frauen und die, die sich selbst im Kampf gegen das Patriarchat sehen, mit uns zusammenzukommen und uns zu unterstützen. Ihr könnt die Informationen über die Situation der Frauen in Iran und Afghanistan verbreiten. Lasst jeden über unseren Widerstand erfahren, kommt zu unseren Treffen. Unterstützt uns finanziell, damit wir das Wort des Widerstandes und des Kampfes der Frauen aus dem Iran und Afghanistan der Welt erzählen können und damit wir gemeinsam das Patriarchat beseitigen.
Eine teilweise Übersetzung des Textes „Who we are“ der Frauenorganisation 8. März vom Oktober 2005