Neues Deutschland zu Flüchtlingsselbstorganisation in Thüringen und 10 Jahre Karawane:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/134752.politisch-zu-aktiv.html
Deutschland vom 1. September 2008
Politisch zu aktiv?
Thüringen nimmt keine schwarzafrikanische Flüchtlinge auf
Von Anke Engelmann, Erfurt
Schwarzafrikanische Flüchtlinge sind in Thüringen politisch sehr aktiv. Seit einigen Jahren kommen immer weniger Afrikanische Asylbewerber in das Bundesland – vielleicht deshalb, vermuten Flüchtlingsorganisationen.
Vietnamesen, Chinesen, Menschen aus der Russischen Föderation und dem Kaukasus, der Türkei und Kurdistan, Amerikaner, Polen, Italiener – Thüringens Bevölkerung ist bunt gemischt. Nur Schwarzafrikaner kommen immer weniger, ihre Zahl geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Nur 1300 der in Deutschland lebenden 270 000 Afrikaner sind in Thüringen beheimatet – im Nachbarland Hessen leben 42 530. Im vergangenen Jahr erhielten 153 Menschen aus Afrika Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die meisten (35 Prozent) stammen aus Algerien und Sierra Leone (20,9 Prozent). Ihre Zahl geht kontinuierlich zurück – 1998 waren es noch 896, 2006: 206 Afrikaner.
Nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen
Schwarze Afrikaner sind den Thüringer Behörden zu renitent, vermutet die Flüchtlingsorganisation The Voice Refugee Forum Jena. 1994 als »The Voice Africa Forum« von Afrikanern in Mühlhausen gegründet, ist die Gruppe seit 1998 Mitglied in der bundesweiten Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen und bietet ein Forum für alle Flüchtlinge. Die Organisation hat es oft nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. So gibt es Behörden, die The Voice nicht als Gesprächspartner akzeptieren, weil sich in ihr – anders als beispielsweise im Flüchtlingsrat – fast ausschließlich Emigranten engagieren. Bei einigen Landräten schwingen auch rassistische Töne mit, berichtet Osaren Igbinoba, Gründungsmitglied von The Voice. Der Nigerianer hat seit 1997 eine Aufenthaltsgestattung und lebt in Jena.
Seit 2003 seien keine schwarzafrikanischen Flüchtlinge in den Freistaat gekommen, so The Voice. Igbinoba führt das auf das Engagement afrikanischer Flüchtlinge in Thüringen zwischen 1994 und 2001 zurück, beispielsweise in Tambach-Dietharz und Jena-Forst. So hatten Asylbewerber aus Afrika in der Unterkunft Tambach-Dietharz spontan gegen die hygienischen Verhältnisse und rassistisches Verhalten der Heimleitung protestiert. Ende 2002 wurde das Lager aufgrund der Flüchtlingsproteste geschlossen.
Dem Bundesland seien mit Algerien und den Seychellen zwei afrikanische Herkunftsländer »zur möglichen Bearbeitung zugewiesen«, so das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF). In diesem Jahr seien bereits zehn Personen aus Algerien »zuverteilt« worden. Höchstwahrscheinlich keine Schwarzafrikaner: In Algerien leben vorwiegend Araber und Berber, auf den Seychellen überwiegend Kreolen. Dass hinter der Verteilung eine Absicht steckt, schließt man beim BAMF jedoch aus. Einige BAMF-Außenstellen hätten sich spezialisiert, erläutert eine Sprecherin. Ohnehin werden Thüringen nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung der Asylsuchenden nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl regelt, nur wenige Flüchtlinge zugewiesen.
Aktivisten lassen sich nicht einschüchtern
Auch wenn die Behörden subtil oder weniger subtil Druck ausüben, lassen sich die Aktivisten nicht einschüchtern. Anfang Oktober feiert die Karawane ihr zehnjähriges Jubiläum mit einem Treffen in Weimar und Jena. Auf dem Programm stehen eine Demo, der Besuch verschiedener Flüchtlingslager sowie Seminare zur Selbstorganisation, der Rolle Deutschlands im europäischen Krieg gegen Flüchtlinge und Kampagnenarbeit. Am 14. September lädt The Voice zu einer Aktion gegen das »Isolationslager« Katzhütte.
Neues Deutschland vom 1. September 2008
2008: Die Presse: Gehlberger Flüchtlinge - Protest und Erklärungen
http:https://thevoiceforum.org/node/891
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On the 14.09.2008 in Jena:
Discussions on the refugees struggles against isolation camps and discrimination ? ?We are closing the isolation in Katzhütte?.
Links: mdr-radio: Katzhütte - Wieder schwere Vorwürfe gegen Asylbewerberheim https://thevoiceforum.org/node/904
Regional Press - Freiswort Zeitung:
Eine Stimme gegen kalte Ignoranz: Net Zeitung
http://www.netzeitung.de/politik/ausland/1060519.html
Links: 2008: Die Presse: Gehlberger Flüchtlinge - Protest und Erklärungen
http:https://thevoiceforum.org/node/891
Regional Press - Freiswort Zeitung:http://www.thevoiceforum.org/node/909
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http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/die-fluechtlings-kara…
* 02.10.2008
Asylorganisation feiert Geburtstag
Die Flüchtlings-Karawane zieht weiter
Die größte Flüchtlingsorganisation der Bundesrepublik, Karawane, feiert ihren zehnten Geburtstag. Doch die Lage von Flüchtlingen in Deutschland gibt nicht viel Grund zum Feiern. VON ANKE ENGELMANN
Noch immer werden Flüchtlinge in Lagern kaserniert - die Karawane fordert eine dezentrale Unterbringung. Foto: dpa
WEIMAR taz Angefangen hat es kurz vor der Bundestagswahl 1998. Unter dem Motto: "Wir haben keine Wahl, aber eine Stimme" reisten Menschen unterschiedlicher Nationalitäten durch 44 Städte. Aus dieser ersten koordinierten bundesweiten Aktion von Flüchtlingen ist inzwischen die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen geworden, die größte unabhängige Flüchtlingsorganisation der Bundesrepublik. In elf Städten arbeitet das Netzwerk, in dem sich hauptsächlich MigrantInnen zusammengeschlossen haben.
Ab Donnerstag feiert die Karawane mit einer viertägigen Aktionskonferenz in Weimar und Jena ihren Geburtstag. In Thüringen protestieren Flüchtlinge seit einiger Zeit gegen ihre Unterbringung in Lagern. Sie werden vom einer weiteren Flüchtlingsorganisation unterstützt, The Voice Refugee Forum Jena. Das Forum ist seit 1998 Mitglied der Karawane. Zum Geburtsprogramm der Karawane gehören eine Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik in Thüringen, Seminare sowie Konzerte und Filme. Außerdem brechen die Teilnehmer zu einer Lagertour nach Katzhütte, Gehlberg und Apolda auf (www.thevoiceforum.org).
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Im April diesen Jahres hatten die BewohnerInnen der Unterkunft in Katzhütte ihre Situation erstmals öffentlich gemacht. Sie prangerten insbesondere den Schimmel in den Zimmern an und Schikanen durch die Lagerleitung. Wasser zum Duschen gab es etwa nur zu bestimmten Zeiten. Proteste in anderen Heimen folgten. Die Karawane kämpft dafür, dass Flüchtlinge dezentral untergebracht werden.
Die Karawane-Themen sind seit Jahren aktuell: die Residenzpflicht, die den Radius der Asylsuchenden einschränkt. Nur in dem Landkreis, in dem ihre zuständige Ausländerbehörde sitzt, dürfen sie sich frei bewegen. Die Hintergründe der Wanderungsbewegungen, die der Slogan "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder kaputtmacht" umreißt. Der Kampf gegen Abschiebungen.
Die Karawane konnte einige Erfolge erringen. In anderen, tragischen Fällen scheiterte sie. So wurde der Syrer Hussein Daoud trotz Protesten im Dezember 2000 abgeschoben und noch auf dem Flughafen vom syrischen Sicherheitsdienst festgenommen. Er saß lange in Haft und wurde Amnesty International zufolge dort gefoltert.
Seit dem Ende der Achtziger habe sich die Situation der Asylsuchenden stetig verschlechtert, berichtet Ralf Santana Lourenco von der Hamburger Karawane.
1993 hatte die Bundesregierung das Grundrecht auf Asyl eingeschränkt im Zuge des Umbaus der Europäischen Union in die Festung Europa. "Damals wurde das Menschenrecht auf Asyl in ein Abweisungs- und Abschieberecht des Staates verkehrt", kritisierte das Komitee für Grundrechte und Demokratie im Juli.
Auch die Karawane wird als Organisation oft nicht anerkannt, so weigerte sich die zuständige Landrätin, die Mitglieder als Gesprächspartner bei einem Gespräch über das Lager Katzhütte überhaupt einzuladen. "Wir werden im Grunde nicht anerkannt, allenfalls, wenn wir Druck machen", berichtet Lourenco. Das Netzwerk macht Fälle öffentlich und wehrt sich, wenn nötig, per Anwalt.
Im Fall von Mohammed Sbaih, dem Sprecher des Lagers Katzhütte, war das erfolgreich. Wegen seines Engagements drohte dem Palästinenser die Abschiebung. Nach einem Eilantrag musste die Ausländerbehörde das Verfahren stoppen. ANKE ENGELMANN