Fotostrecke Dessau - 08.12.2008
*Presse Erklärung der African Black Community (ABC) im Andenken an Oury Jalloh
*Umbruch Bildarchiv: Aufklärung von Oury Jallohs Tod gescheitert
*Björn Kietzmann Fotos
DESSAU/MZ
Jallohs Familie will sich an ihre Regierung wenden
Nach Prozessende: Jallohs Halbbruder Mamadou Siliou spricht über Reaktion seiner Familie in Guinea
erstellt 10.12.08, 21:06h, aktualisiert 10.12.08, 23:17h
DESSAU/MZ. Die Familie von Oury Jalloh will sich nach dem Freispruch zweier Polizisten, die am Landgericht Dessau-Roßlau wegen Körperverletzung mit Todesfolge und fahrlässiger Tötung angeklagt waren, an die Regierung ihres Heimatlandes wenden und hofft auf dieser Ebene auf Unterstützung. Das sagte am Mittwoch Jallohs Halbbruder Mamadou Siliou in Dessau. Der 27-Jährige reiste im Auftrag seiner Familie zum letzten Prozesstag an. Wie sein Vater in Guinea das Urteil des Landgerichts aufnahm, wie er persönlich die Ereignisse im Gericht erlebte, darüber sprach er mit MZ-Redakteurin Annette Gens.
Sie sehen müde aus. Konnten Sie nach dem Prozess nicht ausruhen?
Mamadou Jalloh: Ich habe nach dem Verfahren die Berichterstattung im Fernsehen verfolgt, mir einige Zeitungsbeiträge von Freunden übersetzen lassen. Wenn schon ein Gericht nicht für Gerechtigkeit sorgen kann, wollte ich mindestens wissen, wie solche Nachrichten in Deutschland in den Medien aufgenommen werden. Ich musste diesen Montag erst einmal verarbeiten, und ich habe mit meiner Familie in Guinea telefoniert.
Wie reagierten Ihr Vater und Oury Jallohs Mutter auf das Urteil des Landgerichts?
Mamadou Jalloh: Mein Vater war nicht überrascht, hatte schon vermutet, was passieren könnte. Trotzdem wollen wir Ourys Tod nicht auf sich beruhen lassen. Die ganze Welt hat am Montag gesehen, was für eine Ungerechtigkeit uns widerfahren ist.
Was konkret sagte Ihr Vater?
Jalloh: Keiner sollte über dem Gesetz stehen, und wenn doch, dann könne dies niemals gut sein.
Haben Sie mit Ourys Jallohs Mutter gesprochen?
Jalloh: Erst einen Tag später, weil sie in ihrer Wohnung nicht erreichbar ist. Sie muss weit laufen, um für Ihr Handy Funkkontakt herstellen zu können. Am Telefon hat sie bitterlich geweint, immer wieder den Namen meines Bruders gerufen. Wenn ich zurück in Guinea bin, will sich unsere Familie an die Regierung wenden, und um Hilfe bitten. Das ist schon beschlossen.
Weshalb sind Ihr Vater oder die Mutter Ihres Halbbruders nicht zum Prozess gekommen?
Jalloh: Für meinen Vater kommt es so lange nicht in Frage, diese Stadt zu betreten, in der sein Sohn zu Tode kam, bis die Umstände des Todes vollends geklärt sind. Er kann nicht verstehen, weshalb man sich in Deutschland so schwer mit der Wahrheit tut. Ourys Mutter war mit mir zum Auftakt des Prozesses in Dessau. Sie wurde in der Stadt empfangen. Der Bürgermeister sprach sein Beileid aus. Das hat ihr gut getan. Aber sie hat die Situation im Gerichtssaal nicht ertragen. Den Angeklagten gegenüber sitzen zu müssen, das hielt sie einfach nicht aus. Deshalb wurde ich dieses Mal allein nach Deutschland geschickt.
Wie haben Sie den letzten Prozesstag erlebt, gab es den Versuch der Polizei, mit Ihnen Kontakt zu suchen?
Jalloh: Weder bei unserem ersten Aufenthalt in Deutschland noch jetzt hat irgendjemand von der Polizei sein Beileid ausgesprochen. Im Gegenteil, es gab nach dem Verfahren ein einschneidendes Erlebnis am Landgericht.
Was ist passiert?
Jalloh: Als ich das Landgerichtsgebäude nach Prozessende verlassen wollte, musste ich durch eine Polizeisperre. Zwei Polizisten waren zur Seite getreten, zwei daneben stehende Uniformierte lachten in einer Art, die ich auf mich bezogen habe. Ich hatte das Gefühl, sie lachten mich aus. Das war keine schöne Situation.
Ihrer Familie waren im Vorfeld des letzten Prozesstages 5 000 Euro angeboten worden, vorausgesetzt Sie wären mit einer Einstellung des Verfahrens einverstanden gewesen. Was sagt der Familienrat?
Jalloh: Dieses Angebot war uns schon vor meiner Abreise nach Deutschland bekannt. Für uns war von vornherein klar, dass wir die Wahrheit nicht gegen dieses Geld tauschen wollten. Oury Jallohs Mutter hat dieses Angebot des Gerichts als Beleidigung verstanden. Es ist ungerecht, die Wahrheit zu verstecken und Geld anzubieten, schimpfte sie vor meiner Abreise.
Wie lange bleiben Sie in Deutschland und wer ermöglicht Ihren Aufenthalt?
Jalloh: Mein Visum gilt bis Mitte Januar. Es gibt noch einiges mit den Anwälten zu bereden, z. B. über eine Revision. Solange bleibe ich. Ich bin den Freunden der Community sehr dankbar, dass sie meine Reise hierher finanziell ermöglicht haben und sich in Deutschland so gut um mich kümmern.
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*Presse:Revision gegen Freispruch im Jalloh-Prozess eingelegt
*Pressemitteilung 06. Dezember, 2008 - Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
*Presse Erklärung der African Black Community (ABC) im Andenken an Oury Jalloh