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Flüchtlinge sind selbst Kämpfer – von Rex Osa, The VOICE Forum
Residenzpflicht: »Mit der anderen Hand wird zugeschlagen« (nd press)
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19.08.2010 | 02:40 - (Freitag Press)
Wir kämpfen für die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht
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Osaren Igbinoba (O.I.) ist Coordination Bureau - The VOICE Refugee Forum Jena, die seit ihrer Gründung gegen ddie Residenzpflicht kämpft Peter Nowak sprach mit ihm über die scheinbaren Lockerungen der Residenzpflicht in Brandenburg, seine Kritik an linken Politikern über die Pläne seiner Organisation.
1.) The Voice kämpft seit 20 Jahren gegen die Residenzpflicht. Jetzt gibt es in einigen Bundesländern erste Lockerungen. Sehen Sie darin einen ersten Schritt in die richtige Richtung?
O.I.: The VOICE ist gegründet worden in 1994 in Mühlhausen in einer alten Kaserne im Wald. Wir hatten unsere deutschlandweite Kampagne gegen die Residenzpflicht in 1998 and 1999 getragen von dem Karawanenetzwerk für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen in Form einer Tour durch 40 Städte, gefolgt von dem internationalen Flüchtlingskongress von The VOICE und Karawane im Jahr 2000. Der Kern all dieser Ereignisse war der Mut der Flüchtlinge, die staatlich verordnete Isolation und das Schweigen durch die Unterbringung in geografisch abgelegenen Heimen verbunden mit der Residenzpflicht zu brechen. Dies geschah durch unsere politischen Aktionen. Unser Ziel war damals wie auch heute, die Abschaffung der ungerechten, gesetzlichen Regelungen der Residenzpflicht. Und weil wir damals wie heute davon zutiefst überzeugt waren, dass die Residenzpflicht ein ungerechtes Gesetz ist, halten wir es für unsere menschliche Pflicht, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen, bis hin zu den Mitteln des zivilen Ungehorsams. Dies geschieht in Form von Aktionen, Protesten in Gerichtssälen, etc. Menschen haben sich bewusst in Gefängnissen einsperren lassen, wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht. Es ist schön, dass nun 16 Jahre danach, eine Generation von jungen Politikern herangewachsen ist, die nun eine schüchterne parlamentarische Initiative angestoßen haben und sie endlich diesem Thema im Landtag Platz schaffen. Es bleibt die Fragen, wieso gerade jetzt und wieso nicht schon früher. Und warum geht man den Weg nicht jetzt schon zu Ende?
2. In einer Presseerklärung kritisieren auch einige linke Aktivisten wegen deren Stellungnahme zur Lockerung der Residenzpflicht. Wen meinen Sie damit und was ist der Gegenstand ihrer Kritik?
O.I.: Es ist jedenfalls nicht das, was wir von der Politik erwarten, deswegen ist es kein Schritt in die richtige Richtung, sondern eher ein verlegener Schritt seitwärts. Jetzt kann man versuchen, denjenigen, die sich nur oberflächlich mit dem Thema befassen, zu erzählen, man hätte einen Schritt in die richtige Richtung getan und es wird als Erfolg gefeiert, was kein Erfolg ist. Dieses Gesetz ist kein Grund zu feiern. Dieses Gesetz bestätigt die generelle Residenzpflicht und ist auch dazu da, um den Flüchtlingen erneut und auch auf diesem Weg zu bestätigen, dass sie immer nach wie vor unterdrückt werden. Mit einer Hand wird etwas gegeben, und die andere Hand wird dazu benutzt, zuzuschlagen. Heuchelei des reformistischen Systems. Das ist der Gegenstand unserer Kritik an die Politik.
3.. Die Lockerungen in Brandenburg gelten nicht für alle Flüchtlinge. Fürchten Sie dadurch eine Spaltung der Flüchtlinge, in die, die von der Lockerung profitieren und den anderen, die davon nicht profitieren?
O.I.: Wir glauben, dass dies als ein weiterer Versuch angesehen werden könnte, dies zu erreichen und voranzutreiben. Es ist klar, dass die Gesetze, die die Flüchtlinge betreffen, Gesetze sind, die gegen Flüchtlinge gemacht sind und nicht für Flüchtlinge. Der Versuch zu spalten, um besser beherrschen zu können, ist schon seit der Antike bekannt. Ebenso ist dies für die Flüchtlinge erkennbar und sie geben ihre eigene Antwort darauf.
4 Wie will The Voice in Zukunft gegen die Residenzpflicht kämpfen?
O.I.: Unsere Zukunft war gestern und heute. Wir verstärken unsere Bemühungen, wir hatten das Festival, was darauf fokussiert war, die Isolation der Flüchtlinge in den Heimen, zum Thema zu machen. Es wird ein „Karawane International Tribunal für die Rechte der Migrantinnen und Flüchtlinge“ die Residenzpflicht untersuchen. Wir werden weiter alle Formen und Mittel des Protests benutzen, einschließlich das des zivilen Ungehorsams gegen die menschenfeindlichen Gesetze, die die Flüchtlinge unterdrücken. Wir werden unseren täglichen Kampf gegen die Unterdrückung der Flüchtlinge dokumentieren, künstlerisch durch Ausstellungen und Medienprojekte stärker präsent sein und das Problem weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen. Die Politik wird unweigerlich in den Zugzwang geraten, die richtigen Schritte endlich einzuleiten.
Die prekäre rechtliche Lage der Flüchtlinge, kann nur deswegen aufrechterhalten werden, weil von Seiten der Politik der Mantel des Schweigens darüber ausgebreitet wird und das Problem vor der eigenen Bevölkerung versteckt wird.
5. Wird es von Ihrer Seite auch weiterhin eine Zusammenarbeit mit den von Ihnen kritisierten deutschen Linken geben?
O.I.: Wir sind weiterhin offen für Zusammenarbeit und Austausch mit denjenigen, die sich vorgenommen haben, die Stellen auszubessern, wo unser System immer noch versagt. Wir erwarten von unseren Mitstreitern, dass sie eine klarere Position einnehmen bezüglich der Unterdrückung der Flüchtlinge in dem Land, das diese eigentlich von Unterdrückung befreien sollte.
6 Halten Sie in dieser Frage eine Politik der kleinen Schritte für denkbar?
O.I.: Menschenrechte sind nicht nur nicht verhandelbar. Aber was wir heute erleben ist, dass sie auf zynische und menschenverachtende Weise zum Kauf angeboten werden, wenn deren Ausübung durch Menschen ohne finanzielles Einkommen, durch die Verwaltung mit Gebühren belegt wird. Das ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie das Geld, das von staatlicher Seite für die Betreuung der Flüchtlinge bereitgestellt wird, am Ende dafür benutzt wird, um eine Kollektivbestrafung an ihnen vorzunehmen. Und zur Änderung dieses Missstandes wird eine Politik der kleinen Schritte vorgeschlagen. Sie fragen mich ernsthaft, ob ich das für den richtigen Weg halte?
wir kämpfen für die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht
Interview: Peter Nowak
Flüchtlinge sind selbst Kämpfer – von Rex Osa The VOICE Forum
Residenzpflicht »Ein zynisches Spiel mit unseren Rechten« Ein Gespräch mit Osaren Igbinoba - The VOICE Refugee Forum
PM Von The VOICE - Anläßlich der Auflockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber in Brandenburg
English: PressRelease from THE VOICE Refugee Forum on Brandenburg State intention to loosen the residence restriction for Asylum seekers
The VOICE Refugee Forum Jena
Adresse: Schillergässchen 5, 07745 Jena
Tel. Handy 0049(0) 17624568988,
Fax: 03641 / 42 02 70,
E-Mail: thevoiceforum@gmail.com
Internet: http://www.thevoiceforum.org
Gegründet: 1994, Arbeitsweise: Kampagnen,Aktionen, Vernetzung.
Publikationen: E-Newsletter
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08.10.2010 / Inland / Seite 4Inhalt
Freiheitlich-demokratische Unordnung
Im Juli haben Berlin und Brandenburg die »Residenzpflicht« für Asylbewerber gelockert. Nur wissen die oft gar nichts von ihren neuen Rechten. Ausländerbehörden sehen sich nicht in der Informationspflicht
Von Ariane Reisenweber
Die Sonne scheint. Kinder lachen. Nur zwei erwachsene Männer blicken verdrießlich auf die Wiese, auf der ihre Zöglinge rumtoben. »Es gibt nichts zu tun«, sagt einer von ihnen und zieht am letzten Rest seiner selbst gedrehten Zigarette. Im Asylbewerberheim Waßmannsdorf, ganz in der Nähe des Flughafens Berlin-Schönefeld, ist der Alltag trist, eintönig und grau.
»Wir kochen, essen und schlafen«, sagt die alleinerziehende Sekani aus Kenia. Ihre Freundin Maina nickt. Sie sind beide 27 Jahre alt und haben jede ein Kind. Männer haben sie nicht. »Der ist tot«, sagt Sekani und spült gewissenhaft das Geschirr ab. Beide leben seit über einem Jahr im Haus II. Wenn sie einen Ausflug machen wollen, müssen sie eine behördliche Erlaubnis beantragen, Ziel und Grund der beabsichtgten Reise sind anzugeben.
In Deutschland dürfen Flüchtlinge den Landkreis, in dem sie gemeldet sind, nur mit dem Einverständnis der Ausländerbehörde verlassen. Das Ganze nennt sich »Residenzpflicht« und ist seit 1982 im Asylverfahrensgesetz geregelt. Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit sei weltweit einmalig, kritisiert das Komitee für Grundrechte und Demokratie.
Aktuell setzen sich einige Länder für die komplette Aufhebung der Residenzpflicht ein, allen voran Berlin und Brandenburg. Zwar sehe man im Moment »keine Chance, dieses Ziel in absehbarer Zeit zu erreichen«, sagte ein Sprecher des Potsdamer Innenministeriums gegenüber junge Welt. Immerhin haben beide Länder die Auflagen für Asylbewerber im Juli gelockert. Mittels Erlaß haben Brandenburgs damaliger Innenminister Rainer Speer und Berlins Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) den zuständigen Behörden die neuen Bestimmungen mitgeteilt. Danach können sich die Flüchtlinge innerhalb der beiden Bundesländer frei bewegen. Für die Überschreitung der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg ist nur noch ein einmaliger Antrag zu stellen, bei Bewilligung wird eine Dauererlaubnis erteilt.
Doch während sich die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg gegenseitig zu diesem großartigen Schritt gratulieren, wissen die Bewohner in Waßmannsdorf noch nichts von ihrem Glück. Nach wie vor begeben sich die Flüchtlinge für jeden kleineren und größeren Familienausflug zur Ausländerbehörde nach Königs Wusterhausen (KW) und erbetteln eine einmalige Erlaubnis zur Grenzüberschreitung. Maina nennt es »einen Schein für Urlaub«.
Offenbar fühlt sich niemand dafür verantwortlich, die Asylbewerber über ihre neuen Rechte zu informieren. Die Ausländerbehörde in KW hält die Presse für »zuständig«, vielleicht auch »Diakonie, Flüchtlingsrat und Sozialarbeiter«. Die Behörde selbst weist die Flüchtlinge auf die geänderte Vorschrift jedenfalls nicht hin: »Nö«, meint der Sprecher auf Nachfrage. Es stand doch in der Zeitung. »Und wenn’s die Deutschen wissen, wissen’s die Ausländer ja auch.« Ob die nun die Märkische Allgemeine oder das Schönefelder Amtsblatt überhaupt in die Hand bekommen, und falls ja, ob sie es dann auch lesen können, interessiert in der KWer Amtstube kein Schwein.
Bei der zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs will man sich in der Angelegenheit zunächst überhaupt nicht äußern. Schließlich werden wir an Herrn Wenders verwiesen. Zuständig »für Asylfragen... Europa und so«. Herr Wenders weiß aber auch nichts: Zuständig sei das Innenministerium. Dort sieht man das nicht so. Die Beratungspflicht liege bei den Ausländerbehörden, heißt es in Potsdam.
Derweil kochen die Bewohner in ihrer Unterbringung in Waßmannsdorf weiter mit 20 Familien auf zwölf Herdplatten. Um die Abendbrotzeit »müssen wir anstehen«, sagt Sekani. Das mag für eine Weile spaßig sein. Vielleicht wenn man ins Ferienlager fährt. Auf lange Sicht ist es »unerträglich«, sagt Samuel, ein stattlicher Kenianer, der schon seit knapp fünf Jahren in Waßmannsdorf »lebt«. Er träume von einer eigenen kleinen Wohnung, »irgendwo, wo auch normale Leute leben«, sagt er und lacht.
http://www.jungewelt.de/2010/10-08/056.php
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02.09.2010 / Inland / Seite 5Inhalt
http://www.jungewelt.de/2010/09-02/040.php
Zwangszölibat verhängt
Sex mit der Ehefrau kein Grund für Reiseerlaubnis.
Northeimer Ausländerbehörde pocht bei irakischem Flüchtling auf Residenzpflicht
Von Max Eckart
Sex mit der Ehefrau? Das wäre ja noch schöner! Dafür gibt es von uns jedenfalls keine Reiseerlaubnis. – Mit der sogenannten Residenzpflicht, die die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden auf den jeweiligen Landkreis reduziert, können Behörden schon seit Jahren Flüchtlinge schikanieren. Als vorläufiger Gipfel der Ämterwillkür gegen reisewillige Asylbewerber erscheint ein am Mittwoch bekannt gewordenes Schreiben der Ausländerbehörde des Landkreises Northeim in Niedersachsen an einen im Kreisgebiet wohnhaften Iraker.
Der lediglich geduldete Mann vermißte nach Angaben des Kreises seine in Dessau (Sachsen-Anhalt) lebende Frau. Er wollte sie besuchen, auch um mit ihr Sex zu haben, und beantragte dafür bei der Ausländerbehörde eine »Verlassenserlaubnis«. Das Gesuch wurde abgelehnt. Eine solche Erlaubnis, belehrte die Behörde den Antragsteller, soll entsprechend den gesetzlichen Vorschriften nur bei »bestehendem dringenden öffentlichen Interesse« erteilt werden. Etwa, »wenn der Ausländer unter Zeugenschutz steht, oder zur Beschaffung von Heimreisedokumenten«.
Auch werde eine Verlassenserlaubnis dann erteilt, wenn »zwingende Gründe« vorliegen. Dies könne beispielsweise der Besuch eines Facharztes oder eines schwerkranken Familienmitglieds sein. Der Wunsch nach Sex mit der Ehefrau sei jedenfalls kein solcher zwingender Grund: »Bei Ihrem Vortrag, Ihre Frau zu treffen, um mit ihr Sex zu haben, handelt es sich nicht um einen Grund, der den genannten Voraussetzungen entspricht«, heißt es in dem Behördenschreiben weiter.
Das Amt führte auch an, daß der Flüchtling selbst erklärt habe, mit seiner Frau nicht standesamtlich, sondern lediglich nach irakischem Recht verheiratet zu sein. Im übrigen sei die Ehefrau im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und »somit an keine räumliche Beschränkung gebunden«. Ihr sei es jederzeit möglich, »Sie in Northeim zu besuchen«.
Flüchtlingsorganisationen reagierten gestern fassungslos und übten scharfe Kritik am Landkreis: »Der von der Northeimer Ausländerbehörde verhängte Zwangszölibat ist ein bürokratischer Exzeß«, erklärten der Niedersächsische Flüchtlingsrat und Pro Asyl. Sie verwiesen gleichzeitig darauf, daß in vielen deutschen Ausländerämtern »inquisitorische Befragungen von Behördenangestellten zur Beurteilung, ob eine Reise dringend oder zwingend sei«, an der Tagesordnung sind.
Die Residenzpflicht gilt innerhalb der Europäischen Union nur in Deutschland. Alle anderen EU-Mitgliedsstaaten gewähren auch Asylsuchenden – unabhängig aller sonstigen Schikanen – das Recht auf Freizügigkeit. Aus Sicht von Pro Asyl ist die Regelung ein »Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges gegen Asylsuchende, der in den 80er und 90er Jahren mit fast allen Mitteln geführt wurde.« Besonders schändlich sei dies in einem Land, in dem zu Recht die Beschränkung der Freizügigkeit und der Reisefreiheit zu DDR-Zeiten heftig kritisiert worden sei. »Während die innerdeutsche Mauer längst verschwunden ist, haben die unsichtbaren Mauern für Flüchtlinge Bestand«, betonten die Verbände.
Mehrere Bundesländer wie etwa Brandenburg haben Initiativen auf den Weg gebracht, um die »Residenzpflicht« durch die Erweiterung der jeweiligen Bewegungsbereiche zu lockern. Diese Bestrebungen griffen allerdings zu kurz, meinen Pro Asyl und Flüchtlingsrat. Die Kritik betroffener Flüchtlinge selbst treffe die Sache am besten: »Die Residenzpflicht wäre eines Apartheidregimes würdig. Sie muß weg.« Eine vom Landkreis zugesagte Stellungnahme lag bis zum späten Mittwoch Nachmittag noch nicht vor.