Presseerklärung, Berlin, 07.10.2005
Bündnis „Stopp Abschiebungen“
Betr.: Maulkorbbrief der Senatsverwaltung für Inneres,
Androhung von strafrechtlichem Vorgehen gegen die Aussagen:
• „Seit Jahrzehnten gehören…Körperverletzung und Tod durch rassistische Angriffe der Polizei und Neonazis, zum Alltag der MigrantInnen und Flüchtlingen in Deutschland.“
• „Wir haben es satt, ständig auf die unerträglichen Zustände, die Kontinuitäten des Kolonialismus aufweisen, hinzuweisen“.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 9. September hat ein Bündnis von ca. 20 Gruppen einen Aktionstag v.a. gegen die z.Z. vorgenommenen Massenabschiebungen veranstaltet. Zum Aktionstag wurde mit einem Aufruf in acht verschiedenen Sprachen mobilisiert.
Die Senatverwaltung des Inneren (SenInn) nimmt den als „radikal“ und „polemisch“ bezeichneten Aufruf zum Anlass, um den Kampf gegen die rassistische Politik zu kriminalisieren und zu verbieten.
In dem Schreiben vom 08.09.2005, unterzeichnet von Herrn Dr. Vetter (Leiter der Abteilung I, u.a. für Ausländer-
und Asylrecht) werden die zwei oben genannten Sätze herausgepickt, um zu verbieten, dass man staatliche Entscheidungen als rassistisch bezeichnet. Das Schreiben der SenInn beweist beispielhaft, dass Rassismus und seine tödlichen Folgen, die auf die herrschende Politik zurückzuführen sind, nicht nur geleugnet sondern die Benennung auch strafrechtlich verfolgt werden (sollen). Laut Berliner Morgenpost vom 1.Okt. wurden 18 941 Menschen- aus ehemaligen Bürgerkriegsländern sowie Asylbewerber, deren Asylanträge abgelehnt worden sind-zum Verlassen Deutschlands aufgefordert. Kaum zu überbieten ist die Frechheit des Senats einerseits mit dem Schicksal von zehntausenden von Menschen zu spielen und andererseits den Protest dagegen zu kriminalisieren.
Eine „sachlichen Auseinandersetzung“, auf die die SenInn Bezug nimmt, ist erst durch die Anerkennung der Faktenlage gegeben. Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) hat diese Fakten in der Dokumentation „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen- 1993-(1) 2004“ festgehalten. In ihrer Presseerklärung schreibt die ARI „Die vorliegende Dokumentation „beschreibt in ca. 3800 Einzelgeschehnisse die Auswirkungen dieses institutionellen Rassismus auf die Betroffenen“ und kommt zu dem Fazit : “Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen 325 Flüchtlinge ums Leben- durch rassistische Übergriffe oder bei Bränden in Unterkünften starben 79 Flüchtlinge“. Nicht registriert in dieser Dokumentation sind der Tod von Oury Jalloh und Laye Conde am 7.Januar dieses Jahres unter der Verantwortung der deutschen Polizei. Das jüngste Beispiel des nicht selten tödlich endenden Einsatzes der Polizei ist der Tod eines 39jährigen Mannes aus Ghana, der sich am 29.Sept. im Märkischen Viertel/Berlin aus dem vierten Stock eines Hauses hinabstürzte, um einer Identitätsprüfung zu entkommen.
Bei diesen klaren und bitteren Daten stehen wir zu den aus dem Aufruf zitierten Sätzen und wehren uns vehement dagegen kriminalisiert zu werden. Niemand kann uns einschüchtern und uns daran hindern für Gerechtigkeit und gegen Rassismus zu kämpfen. Die Einschüchterungsversuche und Schnüffelungsarbeit des Senats gegen uns nimmt schon konkrete Gestalt an. So wurde ein internes Treffen des Bündnisses gegen Abschiebungen am 5.Oktober durch ein Dutzend Polizisten aufgesucht. Durch ein Gespräch mit dem Veranstalter wollten sie angeblich klären, ob „alles in Ordnung“ ist. Ob die Polizei ein Durchsuchungsbefehl hatte, wurde nicht verraten.
Am Do., 10.November, 17:00 Uhr, ab Roten Rathaus, werden wir eine Demonstration gegen die Kriminalisierung des antirassistischen Kampfes der MigrantInnen und Flüchtlingen und gegen die Massenabschiebungen durchführen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie den oben beschriebenen Sachverhalt in Ihren Medien veröffentlichen.
Berlin, 07.10.2005
Hinweis: Der Senatsbrief, der Aufruf zum Aktionstag gegen Abschiebungen und die Presseerklärung der ARI zu der Dokumentation sind auf der Seite http://www.plataforma-berlin.de
http://www.plataforma-berlin.de/abschiebungen_9_9_2005.htm
zu finden.
stopabschiebung@web.de, 0176 – 25 43 37 50
www.plataforma-berlin.de