Ich erhebe Anklage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen im Asyl-System und der Abschiebungspraxis.
Am Mittwoch, dem 26.09.2007 wurde Frau Uruqi aus der Gemeinschaftsunterkunft Ohrdruf abgeschoben. Noch am Montag, dem 24.09. hatte ich mit ihr gesprochen. Sie teilte mir mit, dass sie vor ihrem geschiedenen Mann geflohen sei, welcher die Absicht habe, sie zu töten. Geschlechtsspezifische Verfolgung ist ein anzuerkennender Asylgrund. Die Mehrzahl der zustande gekommenen Asylanerkennungen wurden vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) zunächst abgelehnt und mussten vor Gericht erstritten werden. Aber nur einem Teil der abgelehnten Asylbewerber gelingt es, einen Rechtsanwalt zu engagieren, um gegen die Ablehnung zu klagen. (Schon eine oft übliche Rate von 50,- € pro Monat übersteigt das Bargeld, welches Asylbewerber erhalten, aber auch die zu gewährenden 40,- € werden of noch gekürzt, so dass einem Asylbewerber die Klage nur möglich ist, wenn er Verwandte oder Bekannte hat, die ihn unterstützen. Anträge auf Prozesskostenhilfe werden in der Regel abgelehnt.)
Vor diesem Hintergrund ist es zynisch und menschenrechtsverletzend, sich bei der Abschiebung auf eine solche Ablehnungen des BAMF zu berufen, denn es ist in Fällen, welchen objektiv anzuerkennende Asylgründe zu Grunde liegen, hochgradig wahrscheinlich, dass diese vom BAMF abgelehnt werden.
Frau Uruqi teilte mir mit, dass sie große Angst habe, abgeschoben zu werden. Ihr ehemaliger Mann versuche sie ermorden („Ehrenmord“). Weiterhin erzählte sie mir, dass ihre Uhr gestohlen worden sei, was sie der Polizei angezeigt habe. Sie sagte mir auch, dass sie der arabische Ehemann einer Mitarbeiterin der Gemeinschaftsunterkunft sexuell belästigt habe, bat mich aber, dies nicht weiter zu erzählen, weil dieser Mann ihr gedroht habe, er könne ihre Abschiebung veranlassen oder sie schlagen, falls er erfahren würde, dass sie redet. Dieser Mann mit der Mitarbeiterin würden dann, wenn die Bewohner fort gegangen sind, die Zimmer öffnen und durchsuchen. Ihr sei öfter aufgefallen, als sie zurück kam, dass Gegenstände bewegt worden waren. Weiterhin erzählte sie mir, dass sie sehr krank sei und schon mehrere Male operiert wurde, und dass die Ärzte gesagt hätten, dass sie erneut dringend operiert werden müsse, aber dass die Genehmigung der Behandlung hinausgezögert würde. Darüber hinaus sagte sie, dass es vorkomme, dass Patienten, die ins Krankenhaus gebracht werden wollen, ein Schmiergeld zahlen müssten, damit sie gefahren werden.
Die Tatsache, dass Frau Uruqi einen Tag vor der Podiumsdiskussion, bei welcher geplant war, dass Flüchtlinge ihre Anliegen vorbringen können, abgeschoben wurde, vermittelt den Eindruck, dass hier eine potentielle Zeugin von Straftaten beseitigt wurde, um die Straftäter zu schützen. Diese Deportation ist geeignet, die Mitbewohner der Unterkunft in Angst und Schrecken zu versetzen, und deren Bereitschaft zu fördern, jegliche Misshandlung klaglos zu erdulden.
Im Lexikon Brockhaus 88 kann man unter dem Stichwort „Deportation“ lesen:
„Zwangsverschickung von einzelnen Personen oder Gruppen aufgrund staatlicher Anordnung. ... Das Völkerrecht verbietet die Deportation über die Staatsgrenze hinaus. Auch Massenausweisung von Fremden ist verboten. ... „
Abschiebung und Deportation sind das selbe. Ich sehe in der Abschiebung von Frau Uruqi schwerwiegende Verstöße gegen die Artikel 9, 12, 13, 14, und in doppelter Weise gegen Artikel 3 der UN-Menschenrechte, und in den Zuständen, die sie schilderte darüber hinaus schwerwiegende Verstöße gegen die Artikel 5, 7, 12, 17, 19, 22. Bezüglich Artikel 3 sind zum einen die Folgen der nun verhinderten dringenden medizinischen Operation nicht absehbar, zum anderen besteht die Todesgefahr durch die Mordabsicht des Ex-Mannes.
Diese Zustände erinnern mich sehr an das, was der Psychoanalytiker Ernst Federn, der 6 Jahre in deutschen Konzentrationslagern überlebt hat, über den Hauptgrund für den Terror in diesen Lagern geschrieben hat. Es ist die totale Geheimhaltung aller Verbrechen. Die schlimmsten Strafen waren jenen vorbehalten, die über Verbrechen, deren Zeuge sie geworden sind, den Mund nicht halten konnten.
Gerade solchen Terror unmöglich zu machen, ist eine der wichtigsten Aufgaben eines demokratischen Staates! Dass der Staat Verbrechen straflos stellte, war einer der
Hauptgründe für den Holocaust und dessen Brutalität.
Gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 20, Absatz (3): „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“, haben sich staatliche Maßnahmen im Rahmen geltender Gesetze zu bewegen. Dazu zählt auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, welche die Bundesrepublik Deutschland sich verpflichtet hat, als geltendes Recht anzuerkennen. Wenn diese Rechte mit Durchführungsverordnungen und Dienstanweisungen außer Kraft gesetzt werden, sehe ich darin den Versuch, unsere Demokratische Grundordnung zu beseitigen.
Dazu Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 20, Absatz (4): „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Es entsteht der Eindruck, unser Staat habe keine Probleme mit diesen Bedenken.
Jeder, welcher sich an diesen Menschenrechtsverletzungen (möglicherweise auf dienstliche Anordnung hin) beteiligt, erinnere sich aber der Mauerschützen, welche den DDR-Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze ausführten, und die ihre Handlungen durch den Staat gedeckt sahen. Aber die Zeiten und Ansichten können sich ändern!
Weiterhin habe ich die Fragen, welche nun in der Podiumsdiskussion nicht geklärt werden konnten, weil die Ausländerbehörde, das Sozialamt, das Gesundheitsamt und das BAMF unserer Einladung nicht gefolgt war, und zu welchen ich die Ausländerbehörde nunmehr auffordere, schriftlich zu antworten, als Bilder beigefügt.
So verstößt die Nichtgewährung eines Dolmetschers bei Verwaltungsakten gegen Artikel 7 und insbesondere gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention. Es liegt in der Natur einer Flucht vor Verfolgung, dass vom Flüchtling nicht erwartet werden kann, dass er sich durch Erlernung der deutschen Sprache vorbereitet hat. Es wäre auch kein Problem, wenn man ihm bei der Integration keine Steine in den Weg legt, wie etwa in Kanada, wo Flüchtlinge vom ersten Tag an arbeiten dürfen. Aber bei Verwaltungsakten, die darauf abzielen, den Asylstatus zu verschlechtern und damit indirekt auch das Leben des Flüchtlings gefährden, müssen diese dem Flüchtling zumindest restlos klar gemacht werden, damit im Zweifelsfall ein qualifizierter Widerspruch möglich ist. Die zur Zeit angewendete Praxis, Bescheide rechtswirksam werden zu lassen ist nichts anderes, als Behördenwillkür und Vorenthaltung von Rechten, mithin Ungleichstellung und Diskriminierung vor dem Gesetz.
Die Behinderung der Arbeitsaufnahme verstößt gegen Artikel 22 und 23 der UN- Menschenrechtskonvention.
Es bleibt festzustellen, dass unser Staat nur ungenügend Maßnahmen ergreift, die körperliche und seelische Unversehrtheit der Flüchtlinge zu schützen. Es ist kriminellen Subjekten möglich, Flüchtlinge in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften zu terrorisieren, diesen ihren Willen aufzuzwingen und sie möglicher Weise dadurch selbst vor die Wahl zu stellen, entweder im Auftrag dieser Subjekte selbst Straftaten auszuführen, oder von diesen misshandelt zu werden. Unser Staat unternimmt nichts, bzw. zu wenig, Flüchtlinge davor wirksam zu schützen. Damit geht eine Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde von Flüchtlingen in doppelter Weise einher. Neben den direkten Menschenrechtsverletzungen sorgt der Staat dadurch dafür, dass Flüchtlinge von der Bevölkerung als kriminell und als Belastung der Sozialsysteme wahrgenommen werden.
Medien, welche ein objektives Bild von der Situation von Flüchtlingen in unserem Land vermitteln, sind, bis auf ganz wenige Ausnahm en nicht zu finden, und bei den Ausnahmen werden oft Journalisten auch noch bedrängt, solche Berichterstattung zu unterlassen und es werden ihnen Hindernisse in den Weg gelegt. Wer rassistisches Vorgehen von Behörden anprangert, wird in der Regel mit dem Mittel der Beleidigungsklage mundtot gemacht.
Alle diese hier skizzierten Handlungsmuster unseres Staates und seiner Organe haben ihre Vorbilder in den Methoden der Diskriminierung, wie sie im Nationalsozialismus z.B. gegen Juden praktiziert wurden. So, wie es dem NS-Staat gelang, die Juden auszugrenzen und in den Augen der Bevölkerung als Sündenböcke darzustellen, gelingt es unserem Staat, Ausländer, und insbesondere Asylbewerber auszugrenzen und zu Sündenböcken zu machen.
Wenn heute festgestellt werden muss, dass Rechtsextremismus und faschistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, dann muss hinzugefügt werden, dass staatliche Maßnahmen eine entscheidende Ursache dafür sind. Vertreter von Medien verstärken den Effekt, indem sie staatskonform berichten und es hinnehmen, wenn kritische Stimmen kriminalisiert und mit Mitteln der Beleidigungsklage zum Schweigen gebracht werden.
Michael Stade