The VOICE Refugee Forum wird im Oktober 10 Jahre alt
Veranstaltungen in Berlin – Hamburg – Bremen – Frankfurt – Bielefeld – München
und anderswo.
The VOICE Refugee Forum feiert 10 Jahre aktiven Widerstand.
The VOICE Refugee Forum, eine Organisation von Flüchtlings - und Menschenrechts -aktivisten, die sich für die Rechte von Flüchtlingen in Deutschland engagieren, wird im Oktober 2004 ihr zehnjähriges Jubiläum feiern.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten vom 14. Oktober bis zum 23. Oktober werden von einem zehntägigen Programm aus soziokulturellen und politischen Veranstaltungen in verschiedenen deutschen Städten begleitet. Es werden Workshops, Filme, Ausstellungen, Protestaktionen und Podiumsdiskussionen mit internationalen Menschenrechtsaktivisten, Anwälten, antirassistischen Aktivisten, Flüchtlingen und MigrantInnen stattfinden um ein gemeinsames Netzwerk zu schaffen, das an den Perspektiven unseres Widerstands und unserer Unterstützung für die Kämpfe der Flüchtlinge arbeitet. Einmal mehr werden wir uns auf das Recht der Flüchtlinge auf Bewegungsfreiheit und gegen Ausgrenzung konzentrieren. Vorschläge für ein europaweites Netzwerk für die Abschaffung des Residenzpflicht-Gesetzes werden während der Veranstaltungen von großem Interesse sein.
Gegründet im Jahr 1994 von vier Afrikanern in einer isolierten ehemaligen russischen Militärbaracke in Mühlhausen in Thüringen, die in ein Transitlager für Flüchtlinge umgewandelt wurde, durchlebte die Organisation ihre Höhen und Tiefen. Als „The VOICE Africa Forum“, wie sich die Gruppe ursprünglich nannte, nach Jena zog und dort ein Büro errichtete, wurden sie die erste Anlaufstelle für die meisten Flüchtlinge, die nach Thüringen geschickt wurden. Mit dem Asylkompromiss von 1993, ein tragischer Meilenstein im Abbau der Flüchtlingsrechte in Deutschland, war es klar, dass Flüchtlinge eine Form der Selbstorganisation benötigten, die als Plattform dienen konnte für den Widerstand der Flüchtlinge gegen die offensichtlich rassistischen Gesetze, die in der Abschiebung von Flüchtlingen aus Deutschland ihren Höhepunkt erreichen. Die Gründung von The VOICE war zum Teil eine Antwort auf diese Herausforderung.
Es war das Ziel der Gruppe gegen Diskriminierung und Rassismus zu kämpfen sowie gegen die erbärmlichen und unmenschlichen Bedingungen, denen Flüchtlinge in Thüringen und Deutschland im Allgemeinen unterworfen waren und immer noch sind. The VOICE schuf ein Forum, das es Flüchtlingen aus verschiedenen Ländern ermöglichte ihre Meinungen zu äußern und über ihre Probleme sowohl hier in Deutschland als auch in ihren Heimatländern zu sprechen, die sie zur Flucht veranlasst hatten.
In Jena entwickelten The VOICE bald ihren Ruf bezüglich ihres Antirassismus, da die Gruppe Flüchtlinge informierte und aufklärte, sie mobilisierte und motivierte gegen die rassistischen Gesetze aufzustehen und für ihre Rechte zu kämpfen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschenrechtsgruppen und antirassistischen Initiativen und Netzwerken und auch in ihrer tragenden Rolle in der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen kämpften The VOICE seit ihrer Gründung stets beharrlich gegen Diskriminierung und Rassismus und für die Respektierung der Rechte der Flüchtlinge.
Das Engagement in der Kampagne für die Befreiung der politischen Gefangenen während der dunklen Jahre der Militärdiktatur in Nigeria verlangte eine sehr große Verantwortung von The VOICE als Koordinationsgruppe der Kampagne für Deutschland. Beispielhaft steht hierfür die „Free-Beko-Kuti-Kampagne“. Die Kampagne war insofern erfolgreich, als Beko Kuti, ein renommierter Menschenrechtsaktivist und der Gründungsvorsitzende der „Campaign for Democracy“ (Kampagne für Demokratie) in Nigeria, der 1995 von der nigerianischen Militärdiktatur zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, 1997, als er noch im Gefängnis saß, den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar gewann und später freigelassen wurde. Der Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen setzte sich aufgrund der Situation in Kamerun fort und geht immer noch weiter. Die verheerenden Auswirkungen der von den westlichen Regierungen gesponserten Diktaturen und der multinationalen Interventionen in unseren Ländern bleiben ein wichtiger Fokus unseres Kampfes für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung. Einige Jahre lang hielt The VOICE jährlich eine Menschenrechtswoche ab um den Tag der Menschenrechte am 10. Dezember zu begehen. Dies bot unterschiedlichen Menschenrechtsaktivisten aus verschiedenen Teilen der Welt die Gelegenheit ihre Tätigkeit vorzustellen und ihre Solidarität mit unserer Arbeit hier in Deutschland zu zeigen.
Das politische Engagement von Flüchtlingsaktivisten wird vom deutschen Staat sehr negativ betrachtet, der von Flüchtlingen erwartet, dass sie dankbar dafür sind, in Deutschland sein zu dürfen und deshalb jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Ungerechtigkeit stillschweigend akzeptieren. Es ist daher nicht überraschend, dass Hindernisse auf unserem Weg aufgebaut werden um unser politisches Engagement einzuschränken und uns zum Schweigen zu bringen. Doch wir bleiben unserem Kampf für unsere Rechte verpflichtet und sind entschlossen ihn durchzustehen.
Angefangen bei den mangelnden Rechten für Flüchtlinge auf Bewegungsfreiheit, Rede- und Versammlungsfreiheit bis hin zur immer präsenten Bedrohung durch Abschiebung, gekoppelt mit den Schwierigkeiten, die eine selbstorganisierte Flüchtlingsgruppe in einer sehr konservativen Gesellschaft durchstehen muss, bedeutet all dies, dass The VOICE von Anfang an und zu jedem Zeitpunkt hart um seine Existenz kämpfen musste.
Geplante Veranstaltungen:
Öffentliche Diskussion mit einem Menschenrechtsaktivisten und Kritiker aus der sozialen Bewegung in Südafrika. Er wird über Restriktionen, Repressionen und den Widerstand in den Kämpfen gegen das Pass-Gesetz aus der Apartheidzeit in Südafrika sprechen. Wir werden unsere Erfahrungen austauschen und die Auswirkungen der Apartheid in Südafrika mit denen des Mangels an Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge in Deutschland vergleichen.
Öffentliche Diskussionen mit ehemaligen und gegenwärtigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Da Deutschland das einzige Land ist, in dem dieses Gesetz in Kraft ist, werden wir einige ehemalige und gegenwärtige europäische Parlamentarier einladen, damit sie mit uns über dieses Gesetz diskutieren und Wege ausfindig machen, diese Restriktion abzuschaffen.
Öffentliche Diskussion mit deutschen und internationalen Menschenrechtsanwälten, darunter Nuala Mole, Direktorin des AIRE Centre in London. Sie ist eine erfahrende Anwältin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (AIRE – Advice on Individual Rights in Europe – Beratung in individuellen Rechten in Europa). Außerdem werden einige der Anwälte dabei sein, die in den Verfahren wegen Residenzpflicht in Deutschland die Verteidigung übernommen haben.
Diese Diskussionen werden vor dem Hintergrund und mit Blick auf das Selbstengagement und den Widerstand der Flüchtlinge gegen dieses Gesetz und seine Anwendung in den letzten Jahren stattfinden.
Der erste Teil des Programms wird vom Donnerstag, den 14. Oktober, bis Samstag, den 16. Oktober, in Berlin stattfinden. The Brothers Keepers, verschiedene Artisten, die deutschlandweit und international wegen ihres antirassistischen Engagements renommiert, werden mit einem Solidaritätskonzert und einer Soli-Performance am 16. Oktober im SO36, Berlin-Kreuzberg, die Forderung nach Bewegungsfreiheit für alle Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland unterstützen.
Die öffentlichen Diskussionen mit dem südafrikanischen Aktivisten und Mitgliedern von The VOICE werden in anderen Städten fortgesetzt:
Hamburg 18.10., Bremen 19.10., Bielefeld 20.10., Frankfurt 21.10., Freiburg 22.10., München 23.10., In Jena/Weimar erfolgt neben einem kulturellen Programm und politischen Diskussionen die Auswertung der Veranstaltungen.
Ein detailliertes Programm für die verschiedenen Städte wird bald angekündigt werden.
Anmerkungen und Hintergrund der Kampagne:
The VOICE war immer uneigennützig engagiert und gemeinnützig; es ist nicht nötig zu betonen, dass wir immer mit einem sehr knappen Budget gearbeitet haben mit sehr wenig oder gar keinen Aussichten auf regelmäßige finanzielle Unterstützung. Obwohl uns dies immer große Sorgen bereitet hat, hat es nicht unsere Entschlossenheit gedämpft die Kampagne für Gleichheit und Gerechtigkeit für alle fortzusetzen.
Seit dem Internationalen Flüchtlings- und MigrantInnenkongress in Jena im Jahr 2000, stand The VOICE – unter der Schirmherrschaft der Karawane – immer an vorderster Front in der Kampagne für das Recht der Flüchtlinge auf Bewegungsfreiheit. Die Kampagne gegen das Apartheidgesetz der Aufenthaltsbeschränkung für Flüchtlinge, bekannt als Residenzpflicht, wurde von The VOICE und der Karawane begonnen, als es von der deutschen Regierung und den Behörden als Werkzeug eingesetzt wurde, die Selbstorganisation der Flüchtlinge und die Fortsetzung ihres politischen Engagements zu restringieren. Einige Mitglieder stehen jetzt vor einer Gefängnisstrafe als Ergebnis ihres Widerstands gegen dieses rassistische Apartheidgesetz in Deutschland. (Siehe: https://thevoiceforum.org/search/node/Residenzpflicht ) Viele andere Flüchtlinge sind mit Geldstrafen, Gefängnis oder der Abschiebeandrohung bestraft worden aufgrund einer unvermeidlichen oder beabsichtigten Verletzung des Residenzpflichtgesetzes.
Unsere unablässigen und beharrlichen Anstrengungen in der Kampagne gegen Abschiebung und die unmenschlichen Lebensbedingungen in den Lagern führte zu einer stärkeren Kooperation mit anderen Gruppen, deren politische Schwerpunkte sich in einigen Punkten von unseren unterscheiden mochten. Die Beteiligung von The VOICE in den antirassistischen No-Border-Camps seit 1999 war eine der Vernetzungen mit verschiedenen engagierten Gruppen um den Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus voranzubringen und um eine gemeinsame Basis zu finden für unsere gemeinsamen Probleme. Dass das antirassistische Grenzcamp 2002 bei uns in Jena abgehalten wurde, trug zur Stärkung dieser Allianzen bei. Diese wurden auch bei den Aktionstagen gegen das Ausreisezentrum in Fürth im September 2003 evident. Und mit der Anti-Lager-Tour vom 20. August bis zu 5. September 2004 wird diese Kampagne fortgesetzt. (www.nolager.de)
Wir freuen uns darüber, dass wir das Vergnügen hatten mit anderen europäischen Flüchtlings- und MigrantInnengruppen zusammenzuarbeiten und eine gemeinsame Plattform für den Kampf zur Erreichung unserer gemeinsamen Ziele zu schaffen.
In der Hochstimmung unserer zehnjährigen Jubiläumsfeiern wollen wir von ganzem Herzen unsere Dankbarkeit gegenüber den Gründungs- und gegenwärtigen Mitgliedern von The VOICE Refugee Forum, gegenüber den antirassistischen Gruppen und gegenüber allen anderen Organisationen und Individuen zum Ausdruck bringen für ihre unschätzbare moralische und technische Unterstützung und ihre Solidarität all die Jahre hindurch. Wir schätzen diese sehr und zählen auf ihre Fortsetzung.
The VOICE Refugee Forum, Germany,
E-mail: voice_mail@emdash.org,
http//www.thevoiceforum.org
Bitte senden Sie spenden an:
Förderverein The VOICE e.V., Kto.Nr.: 127 829, BLZ: 260 500 01, Sparkasse Göttingen
Was ist das Residenzpflichtgesetz?
Eine Vorkehrung im Asylverfahrensgesetz in Deutschland beschränkt die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen auf einen bestimmten Landkreis, wo diese Flüchtlinge untergebracht und gemeldet sind. Unabhängig von den jeweiligen Gründen, können Flüchtlinge diesen Landkreis nur mit einer schriftlichen Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen. Die Bitte um so eine Erlaubnis wird in der Regel willkürlich verweigert. Sofern sie erteilt wird, müssen Flüchtlinge in einigen Fällen von ihren mageren Sozialzuwendungen dafür zahlen. Diese Gesetzesvorkehrung dient in Verbindung mit anderen restriktiven Regulierungen dazu Flüchtlinge zu isolieren und sie sozial von der Gesellschaft auszuschließen. Auf diese Weise ist der Aufenthalt von Flüchtlingen für Jahre auf ein extrem kleines Gebiet beschränkt, häufig in ländlichen und abgelegenen Regionen. Das Residenzpflichtgesetz für Flüchtlinge gibt es nur in Deutschland. Wenn sie der Verletzung des Gesetzes schuldig gesprochen werden, kann es sein, dass sie bis zu 2 500 Euro zahlen müssen oder bis zu einem Jahr lang in das Gefängnis müssen.