Mbolo Yufanyis Gericht Verhandlung/Court Hearings (Part 7)
Nächsten Prozesstermin in Berlin am Donnerstag: 09.01.2014,
um 13:00 Uhr, Sitzungssaal/Room 672
Amtsgericht Tiergarten/Moabit
Turmstraße 91
10559 Berlin
Wir laden auch weiterhin alle Aktivisten und Unterstützer zur fortlaufenden Prozessbeobachtung ein.
Touch one touch all.
Gerichtprotokoll von Mbolo Yufanyis Gerichtsverhandlung (Part 6) am 23.12.13 um 12:00 Uhr
23.12.2013, Sitzungssaal 527,
Staatsanwaltliche Herabwürdigung des Angeklagten und richterliche Inkompetenz bei der Führung der Verhandlung
In der mittlerweile 6. Sitzung zur Gerichtsverhandlung von Mbolo Yufanyi am 23.12.13 wurde der routinemäßig zuständige Staatsanwalt Herr Markus Winkler vorweihnachtlich von Herrn Martin Laub vertreten. Dieser Umstand sorgte für einen Eklat, der letztlich alle verfügbaren Justizbeamten des Hauses in der Turmstrasse in Alarmbereitschaft versetzte und zur zeitweisen Blockade des Ausgangsbereiches des Gebäudes führte…
Doch der Reihe nach:
Der Großteil der bisherigen Verhandlungstage wurde insbesondere durch die anwaltliche Verteidigung und den Angeklagten selbst auf die penible Herausarbeitung von Unstimmigkeiten in den Aussagen des Hauptbelastungszeugen von Polizei und Staatsanwaltschaft PK Lamprecht aufgewendet, wobei sich Staatsanwalt Winkler und Richterin Marieluis Brinkmann bereits mit wiederholten Versuchen der Beschränkung des Fragerechtes von Anwalt und Angeklagten profilierten. Entsprechend der hierbei zutage getretenen Fakten und im Angesicht eines Tattagvideos, in dem der „Zeuge“ Lamprecht bei primären Gewalthandlungen gegen eine Kundgebungsteilnehmerin sowie gegen den Angeklagten selbst zu sehen ist, verlas der Anwalt der Verteidigung zunächst eine Erklärung zu dieser „Beweiserhebung“ (s. Erklärung Lamprecht-1.pdf).
Bemerkenswert an dieser Verhandlung war übrigens der Umstand, dass Richterin Brinkmann kein_e Protokollführer_in zur Verfügung stand, sodass sie in Personalunion neben der Verfahrensführung nun auch noch die Protokollführung umzusetzen hatte.
Danach wurde mit der Vernehmung weiterer Polizeizeugen fortgesetzt:
Der Polizeibeamte Krzyslak gab in der richterlichen Befragung zunächst allgemeine Sachverhalte zur Situation vor der nigerianischen Botschaft am 15.10.2012 und darüber hinaus an, dass er persönlich keine eigenen Wahrnehmungen zur konkreten Situation der Festnahme des Angeklagten habe. Auch zu Situationen, in denen er dann später involviert war (nach Verhaftung, im Bundeswehrkrankenhaus, GESA), konnte er keine sachdienlich konkreten Angaben machen (etwa zur zu engen Fesselung, Schmerzangabe und Rassismus Vorhaltungen des Angeklagten an den PK Lamprecht) – auf die Nachfrage nach wahrnehmbaren Verletzungen des Angeklagten antwortete er z. B. „Na gut ging’s ihm nicht – sonst wären wir ja nicht da (Bundeswehrkrankenhaus) gewesen“.
Staatsanwalt Laub hatte keinerlei Fragen an den Zeugen.
Die anwaltliche Befragung des Zeugen konzentrierte sich auf die Erstellung der zeugenschaftlichen Vernehmungen der verschiedenen Polizeibeamten und die Videodokumentation. Hierbei ließ sich der Zeuge zusammengefasst wie folgt ein:
- Er selbst habe sich vor seiner Zeugenaussage das Tatortvideo gemeinsam mit mindestens einem weiteren Kollegen (speziell Lamprecht sei nicht erinnerlich) zur Feststellung der Uhrzeiten der Festnahmen angeschaut, da er ja selbst Videobeamter sei – warum dieser Umstand nicht in seiner Zeugenaussage nachvollziehbar sei, könne er sich nicht erklären
- Die Zeugenvernehmungen der Polizeibeamten fanden teilweise gleichzeitig in einem Raum statt
- Auftrag zur gemeinsamen Videoschau nach der zeugenschaftlichen Vernehmung sei seitens des Fachdienstes zwecks Analyse und ggf. Fertigung weiterer Strafanträge wegen entsprechender Handlungen erfolgt
- Es habe keine inhaltlichen Gespräche mit anderen Polizeizeugen vor der Zeugenvernehmung oder vor dem aktuellen Prozesstermin gegeben – lediglich ein Gespräch mit dem Zeugen Lamprecht zum Polizeischutz im Gericht („…Unmutsäußerungen mit fast körperlichen Auseinandersetzungen“)
- Eine Frage zur Festnahme des Herrn Sy wies er zunächst mit Hinweis auf das noch laufende Verfahren mit Zeugenschaft seiner Person zurück – nach Intervention des Anwaltes, dass es sich bei der Festnahme des Herrn Sy nach Maßgabe der Anklage um die vorgeworfene „Anlasstat“ handele, mussten diese Fragen detailliert beantwortet werden (eigene Handlungen, Festnahmebeschluss etc.)
- Ein Polizeibeamter mit Nr. 101134 könne auf Video durch ihn nicht wiedererkannt werden
Bereits in diese anwaltliche Befragung des Zeugen intervenierte Staatsanwalt Laub wiederholt herablassend und mit de-legitimierender Intention:
Zweimal beanstandete er Fragen des Anwaltes der Verteidigung zur „Üblichkeit“ nachgefragter Sachverhalte wie Zeugenvernehmungen in einem Raum bei protokollarisch zeitgleicher Vernehmung zweier Polizeizeugen durch einen Vernehmer oder zur gemeinschaftlichen Videoschau nach getätigten Zeugenaussagen als „spekulativ“ und forderte deren Nichtzulassung. Als Mbolo nachfragte, was er denn unter „spekulativ“ verstehen würde, erwiderte er „Das erkläre ich Ihnen nicht!“. Richterin Brinkmann assistierte gegen den Angeklagten und forderte dessen Zurückhaltung. Daraufhin erklärte Mbolo umso deutlicher „Ich bin hier der Angeklagte und muss doch verstehen, was hier in diesem Prozess gegen mich gemacht wird!“. Schließlich musste die Frage zur gemeinschaftlichen Zeugenaussage beantwortet werden.
Als der Staatsanwalt dann auch die Frage der Üblichkeit gemeinsamer Videoschauen durch Polizeibeamte als „spekulativ“ zurückweisen lassen wollte, fragte Mbolo gezielt nach „Herr Staatsanwalt – sind sie hier etwa der Anwalt des Zeugen?“…auch diese Frage wurde letztlich zugelassen.
Doch der eskalative Kurs des vertretenden Staatsanwaltes Laub sollte noch lange nicht auf seinem Höhepunkt angelangt sein. Auf die Aufforderung des Anwaltes zur Erstellung von Positionsskizzen durch den Zeugen Krzyslak zur detaillierteren Verifizierung seiner Angaben zu Positionen verschiedener Personen bei den angeblichen Tätlichkeiten des Herrn Sy bzw. bei dessen Festnahme, intervenierte er, dass „keine Rechtsgrundlage“ für solcherlei Skizzenanfertigungen bestehen würde und diese mithin „keinerlei Beweismittelcharakter“ hätten. Das Unverständnis gegen diese neuerlich destruktive Intervention seitens des Anwaltes und des Angeklagten angesichts der Tatsache, dass bereits Skizzenanfertigungen des vorhergehenden Zeugen Lamprecht zugelassen wurden, kommentierte Richterin Brinkmann einerseits „Ich kenne ehrlich gesagt auch keine Rechtsgrundlage.“ und andererseits mit „Ich bin z.B. auch keine gute Zeichnerin.“ Auf die Gegenfrage des Anwaltes, ob es denn durch die StPO ausdrücklich als Beweismittel zur Wahrheitsfindung verboten sei, antwortete sie „Es ist mir bisher jedenfalls noch nicht untergekommen.“ Unabhängig von dieser fadenscheinigen Argumentation unterstützte sie im Weiteren den Staatsanwalt Laub in seiner Verhinderungsstrategie, dass keine Einzeichnungen, sondern nur Fragen zu bereits bestehenden Skizzen zuzulassen seien. Inwiefern die Vertretung des Staatsanwaltes Winkler durch den Kollegen Laub hier ein spezielles Motiv findet bzw. ob es zur Frage des „Skizzenverbotes“ bereits außerprozessuale Absprachen zwischen Richterin und Staatsanwaltschaft gab, ist zwar nun wirklich „spekulativ“…ein schaler Verdacht bleibt aber allemal.
Mit Beginn der Zeugenbefragung durch den Angeklagten selbst eskalierte die herablassende Überheblichkeit des Staatsanwaltes gegen diesen zusehends. Er intervenierte geradezu pausenlos mit willkürlich subjektiven Einwänden, wie „das ist keine Frage“, „diese Frage wurde schon beantwortet“ oder „das ist eine unterstellende Fragestellung“. Als sich der Angeklagte gegen die ständige Bevormundung und Einschränkung seines Fragerechtes durch den Staatsanwalt bei der Richterin beschwerte, unterstützte diese ganz offen die Positionen des Staatsanwaltes und unterstellte dem Angeklagten ihrerseits mangelnden juristischen Sachverstand. Als der Angeklagte daraufhin erregt gegen die Unfassbarkeit dieser Entmündigung durch ein offensichtlich voreingenommenes Gericht protestierte, verließ Staatsanwalt Laub in offener Missachtung den laufenden Gerichtsprozess, was die Gesamtsituation naturgemäß noch weiter anheizte. Die aufgebrachte Nachfrage nach diesem unangemessenen Verhalten an die Richterin (nun auch aus dem Publikum) ‚beantwortete‘ diese mit der Aufforderung zur „Ruhe im Saal“ sowie mit Androhung von „Ordnungsmitteln“ gegen den Angeklagten.
Nachdem der Staatsanwalt nach seiner kurzfristigen Rückkehr dann weiterhin das Fragerecht des Angeklagten einschränken wollte und dem Angeklagten trotz des expliziten Hinweises des Anwaltes auf dessen Recht auf ungestörte Fragestellung, weiter rücksichtslos ins Wort fällt, kommt es zum direkten Wortgefecht zwischen Angeklagtem und Staatsanwalt.
Doch selbst hier hatte Herr Laub noch eine weitere Unverschämtheit in petto: er antwortete in dieser verbalen Auseinandersetzung auf die Frage des Angeklagten nach der Motivation seiner ständigen Unterbrechungen, mit einem auf den Mund aufgelegten Zeigefinger und dem Zischgeräusch „PSSST!“. Das diese unprofessionelle und entwürdigende Geste den Angeklagten nun vollends auf die Palme brachte, kann auch ein Unbeteiligter oder Prozessbeobachter sicher nachvollziehen. Mbolo sprang nun auf und fragte die Richterin Brinkmann mehrfach und eindringlich, ob sie das eben gerade gesehen hätte…ob er sich das wirklich gefallen lassen müsse…was sie dagegen zu unternehmen gedenke…etc. pp. Richterin Brinkmann forderte den nun ebenfalls aufgestandenen Anwalt auf, seinen aufgebrachten Mandanten sofort zu beruhigen und drohte im gleichen Atemzug Ordnungshaft gegen letzteren an…Staatsanwalt Laub schaut derweil erst mit Augenaufschlag „gelangweilt“ an die Decke, um dann erneut aufzustehen um den Gerichtssaal ein zweites Mal zu verlassen.
Daraufhin betätigte nun die Richterin Brinkmann einen Alarmknopf, wonach im ganzen Haus ein entsprechender akustischer Signalruf ertönte. Nach und nach stürmten nun zunächst 3-4 und später über bis zu 40 Justizbeamte den Gerichtssaal, den Vorraum sowie den Flurabschnitt…das Verfahren wurde kurzfristig unterbrochen und für einige Zeit wurden sogar Ein- und Ausgänge des Gerichtsgebäudes abgesperrt. Mbolo machte deutlich, dass er nicht bereit sei für eine derartig einschränkende Prozessführung zur Verfügung zu stehen… „…dann können sie mich genauso gut gleich jetzt verurteilen!“.
20min später wurde die Verhandlung mit einem Befangenheitsantrag gegen den vertretenden Staatsanwalt Laub fortgesetzt, der von der Richterin umgehend als unzulässig abgelehnt wurde.
Hiernach wurde die Befragung des Zeugen Krzyslak unterbrochen und selbiger zum nächsten Gerichtstermin geladen, da die für eine vom Anwalt geplante Videovorführung notwendige Videotechnik in der Vorweihnachtszeit nicht zur Verfügung stand.
Schlussendlich wurde noch mit der Befragung des Polizeizeugen Eife begonnen. Auf richterliche Befragung ließ der Zeuge erkennen, dass er selbst mit dem hier Angeklagten Mbolo Yufanyi keinerlei Berührungspunkte gab – weder bei dessen Festnahme noch später. Er machte dann im Weiteren nur Angaben zu Handlungen des Herrn Sy und über eine versuchte Festnahme desselben seinerseits.
Staatsanwalt Laub hatte erneut keinerlei Fragen an den Zeugen.
Die anwaltliche Befragung zu den Umständen der zeugenschaftlichen Vernehmung des Zeugen war durch das nahende Ende des Termins begrenzt und wurde durch Herrn Laub mit Blick auf den weihnachtlichen Feierabend auch nicht nochmalig unterbrochen.
Insbesondere konnte Herr Eife keine erhellenden Angaben zur halbstündigen Überschneidungszeit seines Vernehmungsprotokolls mit dem des Zeugen Lamprecht beim selben aufnehmenden Beamten machen. Eine Frage des Angeklagten, ob er sich an den Umstand erinnern könne, dass jemand die Dienstnummern von Polizeibeamten vor Ort haben wollte, bejahte er, könne sich aber nicht vorstellen oder erinnern warum.
Nach Unterbrechung der Befragung des Zeugen wegen planmäßigem Ende des Gerichtstermins mit Neuladung des Zeugen und Festsetzung des nächsten Prozesstermins zum 9.1.14 – 13:00 Uhr – Saal 672, betonte Mbolo Yufanyi gegenüber der Richterin Brinkmann erneut, dass er nicht bereit sei, sein Verfahren nochmals mit diesem Vertreter der Staatsanwaltschaft Berlin verhandeln zu lassen. Sollte Herr Staatsanwalt Laub neuerlich im Prozess auftauchen, erwarte er eine sofortige Entscheidungsfindung, statt einer Fortführung seines Prozesses unter derartig beleidigenden Umständen.
Weitere Informationen zu Mbolos Fall:
• Deportation Chain - Police Brutality at N.E: http://www.youtube.com/watch?v=7DUBCWZ4em8
• Gericht Verhandlung/Court Hearings in Berlin (Part 5): https://thevoiceforum.org/node/3419
• Gedächtnisprotokoll (Part 4): https://thevoiceforum.org/node/3407
• Richterliche Willkür - Besorgnis der Befangenheit - Pressemitteilung von The VOICE Refugee Forum: https://thevoiceforum.org/node/3388
• Gericht Verhandlung/Court Hearings in Berlin (Part 3): https://thevoiceforum.org/node/3370
PM The VOICE Refugee Forum - Erstes Jubiläum des Protestes in und vor der nigerianischen Botschaft vom 15.10.2012
https://thevoiceforum.org/node/3359
The VOICE Refugee Forum Berlin
Kontakt: Mbolo Yufanyu Movuh
mobil: +49170-8788124,
mail: the_voice_berlin@emdash.org
Finanzielle Unterstützung: https://thevoiceforum.org/node/3244
Förderverein The VOICE e.V.
Sparkasse Göttingen
Kontonummer 127829
BLZ: 260 500 01
BAN: DE97 2605 0001 0000 1278 29,
BIC: NOLADE21GOE
Kennwort: Botschaftsprotest Nigeria