»Wir müssen ordentliche Wohnungen bekommen« Ein Gespräch mit Liridona Rexha im Flüchtlingslager Gerstungen
Mehre Info: Das Isolation - Flüchtlingslager
25.09.2010 / Inland / Seite 5Inhalt
Hausverbot im Flüchtlingslager
»Karawane« durch Polizeieinsatz an Dokumentation unhaltbarer Zustände in thüringischer Sammelunterkunft gehindert
Von Gitta Düperthal
Von unwohnlichen Verhältnissen kann keine Rede sein«, heißt es aus dem von Claudia Döring (CDU) geleiteten Sozialdezernat des Wartburgkreises. Das thüringische Landesverwaltungsamt habe als obere Aufsichtsbehörde regelmäßig Kontrollen aller Gemeinschaftsunterkünfte durchgeführt – und bislang keinerlei grobe Mängel festgestellt. Komisch nur, daß Mitgliedern der »Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten« kürzlich der Zutritt zu einer der Unterkünfte verwehrt wurde. In Gerstungen, Am Berg 1, müssen sich Besucher ohnehin bei der »Heimleitung« anmelden. Gegen die Gruppe der Karawane-Aktivisten wurde Ende vergangener Woche allerdings ein Hausverbot erlassen und mit Polizisten durchgesetzt. Sie wollten einen blinden Bewohner besuchen und die alles andere als behindertengerechten Zustände im Haus fotografieren. »Anmeldepraxis und Hausverbot sind rechtswidrig«, befand der Frankfurter Rechtsanwalt Markus Künzel.
Sozialdezernentin Döring erklärte in einer Stellungnahme an junge Welt: Die Gruppe habe keine Zustimmung des Amtes für einen Besuch eingeholt. Ein Hausverbot gegen die Karawane durch den privaten Betreiber der Unterkunft habe aus früheren Zeiten schon vorgelegen. Um es durchzusetzen, habe dieser die Polizei alarmiert. »Ganz normal« fand diesen Vorgang auch der für Pressearbeit zuständige Polizeisprecher Detlev Kasch in Gotha. »Liegt eine Anzeige wegen Hausfriedenbruchs vor, vollziehen wir.« Den Grund müsse man beim privaten Betreiber der Einrichtung, der GBR Herrmann und Nienhaus in Heiligenstadt, erfragen. Der Betreiber hingegen behauptet, im Auftrag des Landratsamtes gehandelt zu haben, dort will man den Polizeieinsatz jedoch nicht ausgelöst haben. Also: Keiner war’s.
Betreiber Herrmann gab im Gespräch mit junge Welt zu, daß die Zustände in der Unterkunft unhaltbar seien. Er selbst wolle nicht so wohnen, aber »die Ausländer« würden »es ja von ihren Herkunftsländern nicht anders kennen«. Er habe etwas gegen populistische Äußerungen, »die in der Presse stehen und nicht wahrheitsgemäß sind«. Jurastudent Peter Josza, der zusammen mit der Karawane-Gruppe in die Unterkunft wollte, äußerte am Mittwoch gegenüber junge Welt: »Sie wollen keine Zeugen für ihr Tun haben«. Mit dem Hausverbot wolle man offenbar die rund 80 Flüchtlinge einschüchtern, ergänzte Karawane-Sprecher Osaren Igbinoba. Fotos seiner Organisation belegen die Klagen der Bewohner. Der Eingangsbereich ist mit rostigen Gittern verschlossen, die Bausubstanz der Gebäude auf dem ehemaligen Kasernengelände weise massive Verfallserscheinungen auf. Die Fenster sind zum Teil kaputt. Drinnen fällt der Putz von den Wänden. Es schimmelt. Auf einem Foto ist ein kahler Duschraum zu sehen. An den Wänden hängen blanke Rohre, Duschköpfe gibt es nicht. Die Küche bietet einen ähnlich deprimierenden Anblick.
An diesem Samstag feiert sich die Kreisstadt des Wartburgkreises Bad Salzungen mit einer Interkulturellen Woche. Dort soll Faton Cizmolli, Migrantenvertreter in der Gemeinschaftsunterkunft Gerstungen, sprechen. Die Sache hat nur einen Haken: Die Flüchtlinge des Lagers kennen ihn nicht.
Weitere Informationen und Fotos unter www.thevoiceforum.org
www.jungewelt.de
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